Aggressive Posen

■ Danceport: Jonathan Burrows' „very“

Keine poetischen Tanzbilder wie bei Ana Teixido, keine unterhaltsam-populären Nummern wie von den Featherstonehaughs: Jonathan Burrows' Danceport-Beitrag very ist ein faszinierender, bedrängender Abend der Provokation und Entsagung. Die Verbindung aus sprödem Tanz, schräg-sentimentalen Liedern und Filmsequenzen erweckt ohne vordergründige Figuren oder Geschichten vielfältige, oft beklemmende Assoziationen.

In einer Ecke der leeren Bühne sitzt ein Mann am Keyboard und singt fast manisch von Kopfschmerzen oder Verzweiflung. Mit lauter schräger Stimme trägt Matteo Fargion seine bedrohlich-melancholischen Songs als Begleitmusik für Burrows und seine Tänzerinnen Lynne Bristow und Deborah Jones vor. In engen, schwarzen Kostümen und Turnschuhen zeigen sie eine Vielzahl von verschiedenen Bewegungsarten, Zitaten, die aber stets eigentümlich gebrochen werden: Zuckende Verenkungen, Stepp-, Walzer- und Ballettschritte wechseln mit aggressiven Posen oder leichtahtletischen Bewegungen. Neben den parallel ablaufenden Bewegungen gibt es vor allem zwei Formen von Interaktion: Gewalttätiges zu Boden stoßen, schlagen, würgen, auch harte sexuelle Posen oder aber die zärtliche Annäherung mit zahlreichen Küssen zwischen den Tänzerinnen.

Bewußt verzichtet Burrows auf Spannungsbögen. Einzelne Teile seiner Choreografie oder bestimmte Tanzfiguren sollen nicht symbolträchtig etwas bedeuten, sondern Freiraum für Bedeutung und Geschichten lassen. Burrows versagt dem Zuschauer die Möglichkeit des Dechiffrierens oder des Schwelgens in süßen Bildern.

Bevor es zum leider kläglichen Schlußapplaus kam, waren schon einige Besucher bei den Filmsequenzen geflohen. Diese sorgten für manche Irritation, denn in dem grob-körnigem Schwarzweiß war nicht viel mehr zu sehen als zuvor auf der Bühne: Tänzerinnen bei ihren Bewegungen begleitet von undeutlichem Flüstern.

An einer Diskussionsrunde über jungen Tanz in Europa konnte Burrows nicht teilnehmen. Fragen um Ästhetik und Bedeutung spielten bei dem Gespräch am Sonntag ohnehin keine Rolle, vielmehr wurden die Förderungsstrukturen und Arbeitsbedingungen in London, Rotterdam und Hamburg vorgestellt. John Ashford von The Place, Dick Hollander, Lantaren/Venster, COAX-Frau Rica Blunck und Klemens Wannenmacher erläuterten die Probleme der jungen Kompanien und stellten ihre Zentren vor. Die Entwicklung geht hin zu Verbundproduktionen und stärker als in Schauspiel oder Oper zum internationalen Austausch. Dafür ist auch der Danceport ein Beispiel.

Niels Grevsen