Zuwendung statt Anonymität

■ Diakonie-Klinik Alten Eichen will „Gesundheitshaus“ werden / Das Ziel: Gesundheitsförderung und mehr Umweltschutz     Von Sannah Koch

Das Krankenhaus von morgen muß ein Gesundheitshaus sein, denn den Bettenfabriken nach heutigem Zuschnitt werden langfristig die PatientInnen weglaufen. Medikamente statt menschlicher Zuwendung, Anonymität, sterile Architektur, Hektik und Personalmangel – das Ambiente der modernen Klinik ist nicht heilend, sondern krankmachend: diese Erkenntnis macht sich inzwischen auch bei GesundheitsexpertInnen breit. Eine Klinik, die sich zum „Gesundheitshaus“ entwickeln will, ist das Hamburger Diakonie-Krankenhaus „Alten Eichen“.

Die Stellinger Klinik ist eines von 20 europäischen Pilotprojekten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das in den nächsten fünf Jahren die Gesundheitsförderung in den eigenen vier Wänden vorantreiben will. Denn nicht nur die medizinische Entwicklung schreitet rasant voran, auch die Ansprüche der PatientInnen an die Gesundheitsversorgung haben sich in den letzten Jahren stetig verändert. Wenig geändert hat sich jedoch in den meisten Krankenhäusern die interne Organisation: Hierarchische Strukturen und patientenfeindliche Betriebsabläufe machen nicht nur für Kranke den Klinikaufenthalt zur Schreckensvision, sondern haben in den letzten Jahren auch den Zustrom von Pflegenachwuchs fast gänzlich zum Versiegen gebracht.

Eine Entwicklung, der in „Alten Eichen“ jetzt bereits erfolgreich Einhalt geboten wird. Seit November vergangenen Jahres diskutieren etwa 40 der insgesamt 400 MitarbeiterInnen (von der Oberärztin bis zur Reinigungskraft) in Projektgruppen, wie der Alltag für Personal und Patienten positiver gestaltet werden könnte. Drei Arbeitsfelder haben die Gruppen seit Jahresanfang in Angriff genommen und bereits zum Großteil in die Praxis umgesetzt: Gesundheitsförderung fürs Personal, Verbesserung der Pflegesituation und mehr Umweltschutz im Betrieb.

Die einschneidendste Änderung: Nacht- und Tagschichten wurden so umstrukturiert, daß die Patienten nicht mehr zur nachtschlafenden Zeit gewaschen und gebettet werden müssen. Die Mahlzeiten können nun eine Stunde später (um 8, 12 und 18 Uhr) serviert werden. Dies scheint banal, beinhaltete aber eine völlige Umorganisation der krankenhausinternen Abläufe.

Das Angbot für die Beschäftigten: Rückengymnastik, autogenes Training, Streßbewältigungskurse und eine hauseigene Sauna – frei nach der Erkenntnis, daß ein kranker Mensch schwerlich einem Kranken bei der Genesung helfen kann. Neben mehr Gesundheitsbewußtsein soll aber auch mehr Umweltbewußtsein demonstriert werden: Eine ökologische Abfallsortierung und die Reduzierung von Einweg- und PVC-haltigem Material ist anvisiert. Außerdem soll sich der Klinikkiosk in ein Bistro verwandeln und auch die Kantinenkost gesünder werden.

Verwaltungsdirektor Wolfgang Mursa hob gestern erste Erfolge hervor: Der Krankenstand habe sich reduziert, die Bewerbungszahlen seien gestiegen und das Betriebsklima habe sich spürbar verbessert. Hinter all dem stehe ein gewaltiger Arbeitsaufwand der MitarbeiterInnen, betonte Schwester Helga Schulze-Schuhmann. In Sachen Hierarchie-Abbau krieche man noch zwei Schritte voran und eindreiviertel zurück und auch der Informationsfluß unter den Beschäftigten sei noch verbesserugswürdig. Vor allem wünsche man sich von der Klinikleitung mehr Freistellung für das Engagement.