„Schließerin“ hören sie nicht gern

■ 16 neue „JustizvollzugsbeamtInnen“ in Bremens Knästen / BewerberInnen abgewiesen

Traumberuf Justizvollzieher Foto:T.V.

Eigentlich ist Cornelia Wojahn (28) gelernte Verkäuferin. Doch als solche hatte sie keine Aufstiegsmöglichkeiten. Cornelia Wojahn wollte jedoch „weiter mit Menschen zu tun haben“ und wurde Justizvollzugsbeamtin. Aber hätte sie nicht auch als Krankenschwester mit Menschen zu tun haben können? Nein, sagt die junge Frau, das wäre ihr zu nah gegangen, wenn sie zum Beispiel auf einer Krebsstation Dienst hätte. „Hier wissen die Leute, warum sie hier sind.“ Gestern nahmen Cornelia Wojahn und ihre 15 KollegInnen nach zweijähriger Ausbildung die Glückwünsche von Justizsenator Henning Scherf entgegen. Gleichzeitig begrüßte Scherf 18 Neueingestellte, unter ihnen wieder fünf Frauen.

„Schließer“ oder „Wärter“ — das hören die JustizvollzugsbeamtInnen nicht gern. Türen auf-

hier den Mensch hinter —gittern

oder zuzuschließen sei gar nicht ihre Hauptaufgabe. Der Anteil der „Betreuung“ hat zugenommen: In Bremen werden die VollzugsbeamtInnen immer mehr in das Entscheidungssystem der Anstalt einbezogen. Zu ihren Aufgaben gehören also nicht mehr nur Wecken, Frühstücksausgabe, Zuführen zum Arbeitsplatz und Umschließen, sondern sie sollen für jeweils drei bis vier Gefangene Anträge bearbeiten zum Beispiel auf Urlaub. Die VollzugsbeamtInnen machen also der Anstaltsleitung Vorschläge. Hans-Henning Hoff, Chef in Oslebshausen, möchte die VollzugsbeamtInnen deshalb lieber BetreuungsbeamtInnen nennen.

Während Niedersachsen große Probleme hat, Menschen für diesen Beruf zu interessieren, kann sich Bremen vor Bewerbungen kaum retten: Auf die

etwa 18 Ausbildungsplätze bewerben sich im Schnitt. Ein Grund für diese Beliebtheit: Wer im Stadtstaat Bremen angestellt ist, kann nicht weit versetzt werden. Seltener bewerben sich Arbeitslose, viel öfter Leute aus schlechter bezahlten Berufen: zum Beispiel Zahnarzthelferinnen oder Bürokaufleute. Das Anfangseinkommen einer Justizvollzugsbeamtin liegt bei etwa 2.500 Mark brutto für Ledige. Voraussetzung für die Ausbildung sind entweder Hauptschule mit Berufsausbildung oder ein Realschulabschluß.

Unterrichtet werden die angehenden BeamtInnen nicht nur in Judo und speziellen Techniken der Gefangenenabführung, sondern zum Beispiel auch in der Gesprächsführung, der Arbeit mit Gruppen, in Psychologie ... Die psychologische Schulung scheint auch dringend notwendig, da es, wie sich Scherf ausdrückte, „den normalen Knacki, mit dem man sich, wenn auch handfest, verläßlich arrangieren konnte“, kaum noch gibt: Der „verläßliche Knacki“ von früher wird gar nicht mehr eingesperrt. Die Zahl der Gefangenen hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert. Nun sitzen immer mehr Süchtige ein.

Trotz der psychologischen und pädagogischen Schulung, auf eins sind die neuen BeamtInnen offenbar nicht so recht vorbereitet worden: auf die ausländischen Gefangenen. Yvonne Saß (28), einst Köchin, hat bei den ausländischen Jugendlichen zum Beispiel am Anfang ziemlich um Respekt ringen müssen. Und noch etwas hat sie erfahren: Bloß niemanden bevorzugen und unbedingt alles ganz genau begründen. Schnell würde man sich sonst einen Spruch wie „Nazis“ oder „ich bin ja nur ein Ausländer“ einhandeln. Frauen arbeiten übrigens schon seit mehreren Jahren auch im reinen Männervollzug. Tagsüber genauso unbewaffnet wie die männlichen Kollegen.

„Was verändern“ wollen die jungen VollzugsbeamtInnen alle: Eduard Littau (30), gelernter Masseur, hat soeben mit der Ausbildung begonnen und hofft noch, „zumindest dem einen oder anderen zu verstehen zu geben, daß es auch anders geht.“ Cornelia Wojahn dagegen ist schon an Grenzen gestoßen: „Da hat man zum Beispiel einen Drogenabhängigen aufgepäppelt, und dann sieht man ihn doch wieder am Dobben stehen.“ Abschalten, sagt sie, muß man können in dem Job, sonst gehe man kaputt. Wenn sie abends die Knastpforte hinter sich zuschlagen läßt, dann gibt es nur noch den Feierabend. cis