Grüne favorisieren das "Spalt-Schiff"

■ Gutachten: Wasserwege-Ausbau fördert Einsatz großer Schiffe, obwohl Massengut-Transport nicht zunehmen wird / Grüne: Geld sollte nicht für Flußbegradigung, sondern für Werften ausgegeben werden

Die geplante Verbreiterung, Begradigung und Vertiefung von Flüssen kommt der Binnenschiffahrt nicht zugute. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens, das von der IG Metall Dortmund in Auftrag gegeben worden war. Wissenschaftler vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie und die Grünen stellten gestern die Auftragsarbeit in Berlin vor. Der Bundesverkehrsminister will den Elbe-Havel-Kanal, die als Projekt 17 bezeichnete Verbindung zwischen Berlin und Hannover, für vier Milliarden Mark ausbauen (die taz berichtete).

Doch die Bundesregierung gehe dabei von falschen Voraussetzungen aus, sagte Andreas Pastowski vom Wuppertal Institut. Weil die Grundstoffindustrie in Deutschland, aber auch im europäischen Ausland in der Krise stecke, werde in den kommenden Jahren der Transport von Massengütern — entgegen üblicher Vorstellungen — zurückgehen. Zusätzliche Aufträge durch die Bildung des europäischen Binnenmarktes würden diese Entwicklung nur bedingt auffangen können. Der Einsatz großer Schiffe, für die die Wasserwege ausgebaut werden sollen, werde also nicht notwendig. Effekt eines Ausbaus sei aber, daß für Reedereien nur noch große Schiffe wirtschaftlich seien. Kleine Schiffe, die für den Transport der Güter ausreichend seien, müßten aus betriebswirtschaftlichen Gründen aufgegeben werden.

Von einem Ausbau der Wasserwege rät das Wuppertal-Institut deshalb grundsätzlich ab. Wirtschaftlich sinnvoll sei dagegen, Schiffe an die Bedingungen deutscher Flüsse und Kanäle anzupassen. Gutachter Pastowski berichtete von einem Projekt in England: Die Briten hätten ihre Flüsse und Kanäle kaum ausgebaut, und weil diese deshalb besonders schmal seien, sei ein Schiff entwickelt worden, daß in zwei Teile getrennt werden kann. So könne das sogenannte „Split-Schiff“ einmal als breites Küstenmotorschiff und ein anderes Mal als schmales Binnenschiff verwendet werden. Das bisher notwendige Umladen der Güter von dem einen auf das andere Schiff würde entfallen — Kosten würden gespart. Dieses Schiff sei besonders interessant für den Verkehr zwischen Bundesrepublik, Polen, Baltikum, Rußland und Skandinavien. Bei einem Ausbau der Wasserwege dagegen sei die Entwicklung des Spalt-Schiffes oder anderer Innovationen aber uninteressant, mögliche Aufträge für Werften gingen verloren.

Die Grünen fühlen sich durch das Gutachten in ihrer Position bestätigt, das Projekt 17 abzulehnen. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher, forderte erneut statt umweltpolitisch zweifelhafter Eingriffe in die Flußlandschaft eine Anpassung der Schiffe an die hiesigen Gewässer. Da die Transportkapazitäten auf den Berliner und Brandenburger Wasserwegen mit 20 bis 30 Prozent noch lange nicht ausgelastet seien, sollte mit einem Ausbau angesichts knapper Haushaltsmittel ohnehin zehn Jahre gewartet werden. Dirk Wildt