Politik beim Ballspiel

■ Innenausschuß geht der Frage nach, ob die Polizei links besser sieht als rechts / Festnahmen bei Turnier der Wiking-Jugend

Die Polizei, so erklärte deren Präsident Hagen Saberschinsky in der gestrigen Sitzung des Innenausschusses, „ist weder auf dem rechten noch dem linken Auge blind“. Doch der Fall, den er zu berichten hatte, veranlaßte den sicherheitspolitischen Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, zumindest von einer „absonderlichen Verteilung der Eingriffsmaßnahmen der Polizei“ zu sprechen. Lorenz urteilte dabei aufgrund eigener Erkenntnisse, denn einer der Betroffenen ist der ausländerpolitische Beisitzer beim Spandauer SPD-Kreisvorstand Dugan Y.

Y. fuhr am 18. September mittags mit zwei Bekannten in die Falkenseer Chaussee, weil er erfahren hatte, daß auf dem dortigen Bolzplatz die Wiking-Jugend ein Fußballturnier abhalten wollte. Die drei wollten das rechtsradikale Treiben beobachten. Vom Spiel hatte auch die Polizei erfahren.

Wie Saberschinsky gestern berichtete, hatte sie zudem Informationen, „daß autonome Kreise dies stören wollten“. Sie rückte daraufhin mit zunächst elf, dann dreißig Beamten an. Dieweil 120 Angehörige der Wiking-Jugend und der FAP ihr Spiel unbehelligt anpfiffen – es sind, so Saberschinsky, keine verbotenen Parteien –, beobachteten die Polizisten drei Personen, „die mit Säcken ins Haus Falkenseer Chaussee 204a gingen“. Über den weiteren Ablauf der Ereignisse wurden im Ausschuß unterschiedliche Versionen gegeben.

Nach Lorenz' Informationen riegelten die 30 Polizisten das Haus ab und nahmen Y. und seine Begleiter fest. Diese seien eineinhalb Stunden auf einem Revier festgehalten worden. In ihrem Auto seien ein Motorradhelm, zwei Eisenstangen und Silvesterkörper gefunden worden, dies seien „keine Instrumente, die zur Rechtfertigung der Festnahme dienen können“. Zudem sei aus dem Auto ein Fotoapparat genommen und der Film belichtet worden. Lorenz' Verdacht, daß die Wiking-Jugend „völlig ungehindert unter dem Schutz der Polizei agiert“ habe, wurde noch durch den Umstand bekräftigt, daß die Polizei lediglich einen „flüchtigen Blick“ in die Broschüren geworfen habe, die die rechtsradikalen Fußballer auf einem Tisch ausgebreitet hatten.

Die lediglich flüchtige Augenscheinnahme mußte Saberschinsky bestätigen, weshalb ihm Lorenz eine „gotterbärmliche Vorbereitung des Einsatzes“ vorhielt. Die drei Beobachter will die Polizei jedoch mit zwei Säcken im Haus gestellt haben. Dabei seien, so Saberschinsky, sechs Eisenstangen, eine Schreckschußpistole, eine zwei Meter lange Kette und fünf aus gebündelten Chinakrachern gebastelte Sprengsätze sichergestellt worden. Diese brachten den drei Antifaschisten eine Anzeige wegen des Verdachts eines Explosionsverbrechens ein. Sie seien nach erkennungsdienstlicher Behandlung entlassen worden. Lorenz sah in dieser Schilderung eine Verleumdung seines Parteifreundes. Y., der die Sitzung im Zuschauerraum verfolgt hatte, bestätigte der Presse, daß er die Schreckschußpistole und die Kette zum Selbstschutz bei sich getragen habe. Diese und die übrigen Ungereimtheiten des Einsatzes sollen in der kommenden Ausschußsitzung erneut zur Sprache kommen. Dieter Rulff