„Da sind wir noch nicht drauf gekommen“

■ Norbert Burger, 60, Kölns Oberbürgermeister und Präsident des Deutschen Städtetags, prophezeit der Bundesrepublik Städte, die bald ohne Sport und Kultur auskommen müssen

taz: Ist die außerordentliche Städtetag-Sitzung mehr als nur ein spektakulärer Aufschrei?

Norbert Burger: Wir haben eine Resolution verabschiedet, die von der Geschäftsstelle des Deutschen Städtetages eingebracht und die auf Empfehlung des Präsidiums in der Hauptversammlung beschlossen wurde.

Wird die Bundesregierung ihr Sparpaket deshalb zurücknehmen?

Ich könnte mir vorstellen, daß sie es modifiziert, zumindest im Hinblick auf die Streichung der Lohnersatzleistungen. Es geht zum einen um die Betroffenen, die unsozial behandelt werden: Wer sein bisheriges Arbeitsleben lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, muß doch eigentlich darauf vertrauen können, daß die Verantwortlichen für die Arbeitsmarktpolitik, also der Bund, im Falle der Arbeitslosigkeit für ihn sorgen. Wenn Arbeitslosengeld und -hilfe nun nach drei Jahren auslaufen sollen, dann verstehen doch die Betroffenen die Welt nicht mehr; zumal sie auf dem jetzigen Arbeitsmarkt nicht so einfach wieder Arbeit finden. Hinzu kommt die Mehrbelastung für die Gemeinden. Wenn die Bundesregierung darauf besteht, so etwas zu machen, dann soll sie sich doch bitte auch an den Sozialhilfekosten beteiligen.

Die Kommunen streichen ihre freiwilligen Leistungen. Gerade die zeichnen nach Ansicht ihres Vorgängers Manfred Rommel die kommunale Selbstverwaltung aus. Wie wollen Sie ohne freiwillige Leistungen noch Politik gestalten?

Eben. Wenn Sie zu Ende denken, bleibt uns nur noch die Ordnungs-, die Armuts- und die Auftragsverwaltung. Ganz soweit sind wir zum Glück noch nicht, doch wenn es so weitergeht, dann ist für Kultur, Sport, Jugend oder Soziales nichts mehr übrig.

Dieses Lamento hört man in nahezu allen Gemeinden. Lassen sich nicht gigantische Verkehrsprojekte kippen oder Opernetats kürzen?

Das Leben in einer Stadt ist so vielfältig, daß es an allen Ecken auch weitergehen muß. Wir können zuerst in der Verwaltung sparen, was wir auch tun. In Köln sind derzeit 700 Stellen unbesetzt – wegen Einstellungsstopp. Kürzungen in der Oper werden sicher auch vorgenommen und gigantische Verkehrsprojekte, von den Gemeinden finanziert, gibt es schon lange nicht mehr.

Denkt man auch an Einnahmen statt an Ausgabenkürzungen?

Wir wollen zur Zeit keine Steuererhöhungen. Die Gebühren sind weitgehend ausgereizt. Da können wir nicht mehr viel machen.

In München brachte eine städtische Lotterie dieses Jahr einen Reinerlös von immerhin 1,5 Millionen Mark.

Die Idee gefällt mir. Da sind wir noch nicht drauf gekommen.

Hätten die Gemeinden nicht beizeiten sparen können?

1990 und 1991 waren gute Jahre. Da hatte Köln 100 Millionen Mark Überschuß. Die kamen aber nicht in die Rücklage, sondern mußten für Asbest-Sanierungen verwendet werden. Die haben uns über 150 Millionen Mark gekostet.

Allein im letzten Jahr sind die Ausgaben der Kommunen um 10,9 Prozent gestiegen. Kein Grund zur Selbstkritik?

Ich kann nicht für alle Kommunen sprechen. Städte mit hoher Arbeitslosigkeit zum Beispiel haben ja viel Geld sinnvoll für Arbeitsloseninitiativen ausgegeben, die gesetzlich nicht vorgeschrieben waren. Andere Kommunen wiederum konnten möglicherweise Rücklagen bilden.

Sie wollen in Köln durchsetzen, daß sich die Verwaltungsbeamten selber auf ihre Effizienz hin überprüfen und entsprechende Sparvorschläge ausarbeiten. München sparte mit diesem Modell binnen eines Jahres 25 Millionen Mark ein. Ein schlagender Beweis für die Blähung der Verwaltungsapparate, die zunehmend sich selbst verwalten?

In einzelnen Organisationsstrukturen ist dies sogar wahrscheinlich. Interview: Bernd Neubacher