Männer wie Grandke braucht das Land

■ Offenbachs OB, ein Sparkommissar, will bald modellhaft kappen und kürzen

Mit bitteren Wahrheiten lassen sich in Deutschland (noch) Wahlen gewinnen. Die Bürgerinnen und Bürger der Lederstadt Offenbach am Main wählten am Sonntag den Mann zum Oberbürgermeister, der sich vor der Direktwahl als „Sparkommissar“ profilierte – und dabei knallhart vom Leder zog.

Gerhard Grandke, 39, will bis 1995 mehr als die Hälfte der MitarbeiterInnen bei der Stadtverwaltung in die Wüste schicken, ganze Rathausabteilungen privatisieren und „mit der Axt“ fast alle Haushaltstitel kurz und klein schlagen. 61,6 Prozent der WählerInnenstimmen lagen für den Ex-Unternehmensberater mit dem „Offenbacher Modell“ im Marschgepäck in den Wahlurnen. Und der Konkurrent des Sozialdemokraten, der sanfte CDU-Sozialdezernet Stefan Grütter, 37, kam gerade mal auf 38,4 Prozent.

Das „Offenbacher Modell“, so die SPD-Bezirksvorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul noch in der Wahlnacht, strahle bereits heute „in das Land Hessen und in die Bundesrepublik“ hinaus: „Männer wie Grandke braucht das Land.“ Doch während das „Modell“ angeblich ausstrahlt, strahlt in der Stadtverwaltung seit Sonntag kaum noch ein(e) MitarbeiterIn. Denn ab sofort soll in der Lederstadt nur noch ein „leistungsbezogener Lohn“ an die kommunal Bediensteten gezahlt werden.

Und schon 1995 will der neue OB einer „modernen, an Hoheitsfunktionen orientierten Verwaltung“ mit insgesamt nur 1.200 MitarbeiterInnen vorstehen. Mehr als 1.300 Stellen werden in den nächsten zwei Jahren im Rahmen der „natürlichen Fluktuation, unterstützt von Vorruhestandsregelungen“ und durch die Privatisierung ganzer Abteilungen „abgebaut“ oder aus dem Personalplan der Kommune gestrichen.

Gleichzeitig will Grandke die Verwaltung durch „Implementation eines neuen Steuerungsmodells der dezentralen Ressourcenverantwortung“ von Grund auf erneuern. Im Klartext: Die städtischen Ämter sollen sozusagen unternehmerisch mit den ihnen zur Verfügung gestellten Personalkosten und Finanzmitteln auskommen.

Auf über 200 Millionen Mark ist das Defizit der Stadt Offenbach in den letzten Jahren angewachsen. Und bis 1991/92 „erwirtschaftete“ die Stadt ein jährliches Minus von rund 40 Millionen Mark. Der Gang zum Konkursrichter – die Eingemeindung durch Frankfurt am Main – schien unausweichlich.

Die alte Industriestadt Offenbach mit ihren 117.000 EinwohnerInnen mußte schon in den 70er Jahren den Verlust von 10.000 Arbeitsplätzen und den damit verbundenen Lohn- und Gewerbesteuerausfall hinnehmen. In keiner anderen hessischen Stadt gibt es – im Vergleich mit der Gesamteinwohnerschaft – so viele SozialhilfeempfängerInnen. Und die Perspektivlosigkeit vieler OffenbacherInnen zeitigte auch politische Folgen: Die rechtsradikalen „Republikaner“ zogen im März 1993 mit mehr Abgeordneten in die Stadtverordnetenversammlung ein als in jeder anderen hessischen Stadt. Nicht zuletzt deshalb arbeitet der Sozialdemokrat Grandke daran, die in den siebziger und achtziger Jahren in Offenbach wegrationalisierten Arbeitsplätze neu zu schaffen. Klaus-Peter Klingelschmitt,

Offenbach