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SPD ist mit sich selbst unzufrieden

■ Auswertung der Umfrage unter SPD-Mitgliedern liegt vor / Koschnick in der Symphatie ganz vorn

Im Juni, auf dem Höhepunkt der innerparteilichen Unzufriedenheit in SPD-Kreisen, hatte der Bremer Unterbezirk West an seine Mitglieder einen Fragebogen verschickt, der hochexplosiv war. „Welche Koalition sollte die SPD-Bremen bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen eingehen?“, sollte die Parteibasis sagen, und: „Welche Personen stehen am meisten für Vertrauen, Glaubwürdigkeit und vor allem Kompetenz“.

Die Antworten wurden wochenlang unter Verschluß gehalten, zeitweise war sogar diskutiert worden, die Antwort- Bogen einfach zu vernichten. Dann aber beauftragte der UB- Vorstand den Europaabgeordneten und SPD-Landesvorständler Thomas von der Vring mit der Auswertung. Inzwischen sind die Wogen geglättet, da gibt es nun die Auswertung der Fragebogen-Aktion — wenn auch immer noch vertraulich.

Nur neun Prozent der 2766 Mitglieder im Westen haben sich die Mühe gemacht, den Fragebogen zurückzuschicken, die Auswertung kann also keineswegs repräsentativ sein. Und von der Vring betont, „wegen des darin liegenden hohen Konfliktpotentials“ wolle er nur „sehr behutsam“ vorgehen. Er vermeidet es, Zahlen aus den Umfrage-Ergebnissen zu nennen, „die nur neue Konflikte schüren können, aber nicht aussagekräftig sind“.

Aber auch qualitativ sind die Ergebnisse eindeutig: „Die Mehrheit glaubt nicht, daß unsere Politik die Bedürfnisse und Interessen der Bevölkerung angemessen berücksichtigt und daß unsere Ziele und Absichten verständlich sind“, schreibt von der Vring. „Das Erscheinungsbild der SPD insgesamt ist miserabel, und besonders die Parteimitglieder sind darüber wütend.“ Sie glauben, daß die falschen gesellschaftlichen Gruppen angesprochen werden, zu wenig die Arbeitnehmer und die „kleinen Leute“.

Aber die Mitglieder-Basis ist genauso uneinig wie die politischen Funktionäre, das zeigt insbesondere die Frage nach den Koalitions-Vorlieben: Da gibt es „Rot-Grüne“ neben Sozialliberalen und Rot-Schwarzen. Wie die Stimmung sich in der Umfrage verteilt, sagt von der Vring nicht.

Eine „deutliche Mehrheit“ der SPD-Basis vermißt in Bremen eine „klare politische Führung“. Die Frage nach den geeigneten Führungspersönlichkeiten der SPD wird entsprechend beantwortet: „Vorrangig“ vertraut die SPD-Basis dem früheren Bürgermeister Hans Koschnick, das heißt der guten alten Zeit. Mit Abstand folgen dann Wedemeier, Kunick (im Juni noch Landesvorsitzender), Grobecker, Sakuth (der eigene UB-Vorsitzende), Kröning. Ganz am Ende der Liste: Scherf. Bei den „Wunschkandidaten“ sieht es ähnlich aus, nur hat Wedemeier den ersten Platz, da bekannt ist, das Koschnick nicht zur Verfügung steht.

Die Schlußfolgerung der Auswertung, so von der Vring: „Die SPD muß lernen, aus welchen Teilen sie besteht. Diese Teile müssen sich gegenseitig anerkennen und respektieren, anstatt einander zu bekämpfen. Haust Du meinen Wedemeier, hau ich Deinen Grobecker — das muß aufhören.“ K.W.

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