Blick durch das Spreefenster

■ Berliner Architekten legen Rahmenplan zum Areal Hauptbahnhof/Spreeufer vor / Das Friedrichshainer Viertel soll bis an die Spree reichen / Baubeginn 1994

Die Planung für eines der städtebaulich am meisten vernachlässigten Areale entlang der Spree – rund um den Berliner „Hauptbahnhof“ im Bezirk Friedrichshain – nimmt Konturen an. Nach der Entscheidung des städtebaulichen Ideenwettbewerbs im Dezember 1992 für das von sechsspurigen Autotrassen und ehemaligen Grenzanlagen zerrissene Gelände, legten nun die ersten Preisträger, die Berliner Architekten Julia Tophof und Norbert Hemprich, ein überarbeitetes Strukturkonzept vor. Auf dessen Grundlage können die Bebauungspläne Gestalt annehmen. Mit den baulichen Chiffren eines traditionellen Bahnhofsviertels, aus Passagen und Plätzen, Häuserblocks und Hotelbauvorhaben, hoffen Tophof/ Hemprich dem zugigen Areal einen Rahmen geben zu können, der das Bahnhofsviadukt in ein dichtes Stadtgefüge einbindet und das Friedrichshainer Viertel an die Spree heranführt.

„Vor dem Hintergrund der bestehenden geschichtlichen Spuren“, sagte Julia Tophof gestern bei der Vorstellung des Rahmenplans für das 40 Hektar große Gebiet, „versuchten wir eine Neuinterpretation des Ortes. Die Barrieren der Bahntrasse und des Bahnhofsgebäudes werden darin durch eine Abfolge von Achsen, Unterführungen, Quartieren und Plätzen überwunden.“ Ein „Brückenschlag über die Spree“ soll Friedrichshain mit dem Kreuzberger Spreeufer verbinden, die Mühlenstraße auf vier Spuren rückgebaut werden.

Nördlich der Bahnlinien planen die Architekten Büros und Wohnbauten in der klassischen Berliner Traufhöhe. Südlich des Hauptbahnhofs, so Tophof, „öffnet sich eine abgetreppte Folge von Plätzen, die vom Bahnhofsvorplatz über den wiederhergestellten Stralauer Platz zum neuen Spreeuferplatz reichen“. Bahnhof und Fluß verbinden sogenannte „Spreefenster“: Perspektiven, die den Blick durch schmale Achsen vom Bahnhof bis hinunter zur Spree ziehen. Vor dem Bahnhof entstehen ein Hotelhochhaus sowie für Handel ausgewiesene Gebäude. Den „Spreeuferpark“ auf dem Bereich südlich des Güterbahnhofs mit der „East Side Gallery“ soll eine von der Oberbaumbrücke bis in die City reichende Uferpromenade verknüpfen.

Den Rahmenplan ergänzt ein Freiraumkonzept der Berliner Landschaftsarchitektin Gabriele Kiefer, die das zerschundene Gebiet zu einem „Landschaftsraum“ umgestalten möchte. Kiefer durchschneidet oder unterführt die Verkehrstrassen mit einem Netz von linearen Achsen – grünen Baumachsen und „gläsernen“ Achsen, „hölzernen“ und „metallenen“ Achsen – die etwa in Erinnerung an die städtischen Holzplätze die Geschichtlichkeit des Ortes thematisieren sollen.

Die Gesamtsumme, so Staatssekretär Wolfgang Branoner, belaufe sich auf eine halbe Million Quadratmeter Bruttogeschoßfläche (BGF). „Davon sind rund 120.000 Quadratmeter BGF für Wohnungen vorgesehen.“ In dem Bürozentrum am Bahnhof könnten einmal 10.000 Menschen arbeiten. Mit dem Baubeginn auf den überwiegend der Deutschen Reichsbahn zugehörigen Flächen rechnet Branoner 1994, die Bauzeit werde 15 bis 20 Jahre dauern. Das Strukturkonzept sei mit dem Bezirk abgestimmt. Rolf Lautenschläger