Vertrag statt Trauschein

■ Bündnis 90/Grüne planen Initiative für nichteheliche Gemeinschaften

Nicht heiraten zu müssen und trotzdem einer Ehe gleichgestellt zu sein – wenn es nach der Abgeordnetenhausfraktion von Bündnis 90/Grüne ginge, sollen sich künftig alle Paare, gleich welchen Geschlechts, diesen Traum erfüllen können. Der schwulenpolitische Sprecher der Fraktion, Christian Pulz, stellte gestern Überlegungen zu einem „integrativen Nichtehelichenrecht“ vor. Ziel seiner Fraktion ist eine Bundesratsinitiative Berlins, die nichtehelichen Lebensgemeinschaften endlich zu ihrem Recht verhelfen soll.

Kinder adoptieren, den Partner im Krankenhaus besuchen, ihn im Falle seines Todes beerben oder sein Mietverhältnis übernehmen, dem ausländischen Freund zu einer Aufenthaltsgenehmigung verhelfen – all das soll schwulen, lesbischen und unverheirateten heterosexuellen Paaren in Zukunft möglich sein. Christian Pulz fühlt sich dabei von genau jenem Karlsruher Richterspruch ermuntert, der letzte Woche das Recht der Schwulen und Lesben auf Eheschließung verneinte. Die Institution der Ehe sei „sowieso umstritten“, meinte Pulz. „Hilfreich“ sei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor allem in dem Satz, der „den Gesetzgeber auffordert, zu prüfen, ob gleichgeschlechtlichen Partnern eine rechtliche Absicherung zu ermöglichen sei“.

Heiraten dürfen sie nicht, eine rechtliche Absicherung steht ihnen aber, so Pulz' Interpretation des Richterspruchs, dennoch zu. Das Bündnis 90/Grüne möchte deshalb an die Stelle des Trauscheins einen notariellen Vertrag setzen. Mit diesem Vertrag sollen Freund oder Freundin automatisch den Status von Verwandten bekommen. Zerbricht die Beziehung, genügt der erneute Gang zum Notar, und die Freiheit hat einen wieder. Teure und zermürbende Scheidungen vor Gericht gäbe es nicht.

Pulz betonte, der Vorschlag seiner Fraktion wäre auch für gemischtgeschlechtliche Paare attraktiv. In der Tat: Das Modell böte alle Vorteile einer Ehe, ohne deren Verpflichtungen und Nachteile zu übernehmen. Pulz ist Realist genug, um zu wissen, daß genau dies auf Widerstand der Konservativen stoßen wird. Aber ein Sonderrecht für Schwule und Lesben, wie es zum Beispiel Dänemark kennt, lehnt er ab: „Wir brauchen endlich die Gleichberechtigung.“ Kai Strittmatter