■ Gemeinnutz mit Eigennutz
: Lex Daimler

Selten kam ein Konzerninteresse mit dem Gemeinwohl so im Einklang daher wie in der Senatsinitiative zur Stellplatzverordnung. Denn wer könnte allen Ernstes Einwände gegen die Reduzierung von Emissionen erheben. Ein Lob auch für die Bemühungen, die Versiegelung von Grundstücken in der Stadt zu verringern. Bausenator Nagels Vorlage strotzt geradezu vor gemeinnützigem Ansinnen. Selbst die Kosten werden am geringen Ablöseertrag der vergangenen Jahre gemessen und mit 33 Millionen Mark veranschlagt. Das läßt sich doch, so möchte man meinen, bei diesem hehren Vorhaben verkraften.

Wer so rechnet, der sollte das Metier wechseln. Daß die Konzerne am Potsdamer Platz mit ihrem Stellplatzbedarf alles bislang Dagewesene weit in den Schatten stellen, ist auch dem Senat klar, seit er im letzten Jahr die zähen Verhandlungen um deren Begrenzung führte. Folglich waren ihm auch die finanziellen Dimensionen der damit verbundenen Ablösesummen bekannt. Kleinere Unternehmen sind sowieso schon von der Stellplatzpflicht befreit worden. Daß nun gänzlich darauf verzichtet wird, mag als ökologische Maßnahme verbrämt werden, folgt aber vorrangig den Investoreninteressen.

Eine Lex Daimler-Benz, mit der der Senat endlich die von der EG-Wettbewerbskommission aufgezwungene Strafzahlung an den Konzern zurückzahlen kann. Und eine Bleibeprämie besonderer Art für alle Investoren, die der Hauptstadt die Stange halten. Vor diesem Hintergrund kalkulieren sich natürlich die entgangenen Einnahmen ganz anders als vom Bausenator öffentlich vorgerechnet. Doch der hatte ja, glaubt man seiner Vorlage, bei seiner Initiative nur Umweltbelange im Kopf. Wolfgang Nagel, Berlins politische Kraft, die stets das Gute will und doch das Böse schafft. Dieter Rulff