Neue Subventionen für Großinvestoren

■ Der Wegfall der Stellplatzabgabe erspart Daimler-Benz und Sony Zahlungen an das Land in dreistelliger Millionenhöhe

Das Anliegen, das der Senat auf seiner gestrigen Sitzung behandelte, müßte eigentlich die Herzen der Ökologen in der Stadt höher schlagen lassen. Um „die Lärm- und Abgasemission des motorisierten Individualverkehrs und die Versiegelung auf Grundstücken zu verringern“, soll die Stellplatzpflicht fortfallen. Lediglich bei der Errichtung von Wohnraum, so ist einer Vorlage von Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) zu entnehmen, „sind für je zwei Wohnungen ein Stellplatz (...) in ausreichender Größe und in geeigneter Beschaffenheit herzustellen“.

Doch noch höher als bei den Umweltschützern dürften die Herzen in den Chefetagen von Daimler-Benz und Sony schlagen. Denn „bei der Aufhebung der Ablösemöglichkeit von Stellplätzen“, so umschreibt das Senatspapier die Haushaltskosten der Maßnahme, „entfallen die Einnahmen der Ablösebeträge“. Bislang mußten die Bauherren am Potsdamer Platz für jeden nicht errichteten Stellplatz einen Betrag von rund 40.000 Mark an die Landeskasse zahlen. Auf die Investoren kämen folglich erhebliche Kosten zu, die zukünftig wegfallen würden.

So beträgt die vorgeschriebene Stellplatzzahl für den Daimler- Benz-Komplex 5.156. Davon läßt der Konzern auch tatsächlich 2.500 in den Tiefgeschossen am Potsdamer Platz bauen. Im März letzten Jahres vereinbarten der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und Konzernchef Edzard Reuter den Bau weiterer 1.500 Parkplätze auf dem Gelände des Gleisdreiecks. Über die Finanzierung wurde keine Vereinbarung getroffen. Allein der Wegfall der Ablöse für die restlichen 1.156 Plätze bringt für Daimler-Benz Einnahmen von 46 Millionen Mark. Das sind 13 Millionen Mark mehr, als der Konzern im letzten Jahr auf den Kaufpreis draufzahlen mußte, weil die EG-Wettbewerbskommission darin eine verbotene staatliche Beihilfe erkannt hatte. In Brüssel hatte man den Kaufpreis von 93 Millionen Mark als zu niedrig erachtet und Daimler-Benz zu einer Nachzahlung von 33 Millionen Mark verpflichtet. Auch bei Sony war der Kaufpreis von 101 Millionen Mark auf den Verdacht der verbotenen Subvention hin überprüft worden.

Die jetzt beratene Regelung könnte jedoch für die EG-Wettbewerbshüter Anlaß für eine erneute Prüfung sein. Denn auf dem Umweg über die Parkplätze erhält Daimler-Benz die seinerzeit gezahlte „Strafe“ nun mit Aufschlag wieder zurück. Entfallen auch die Kosten für die Stellplätze auf dem Gleisdreieck, kann sich Daimler- Benz sogar 106 Millionen Mark auf Landeskosten gutschreiben. Bei Sony dürften, legt man die ursprünglichen Planungen zugrunde, ein Wegfall der Ablösesumme mit gut 50 Millionen Mark zu Buche schlagen. Im gesamten Bereich war man von einer Stellplatzzahl von etwa 15.500 ausgegangen, realisiert werden 7.700. Die Differenz erbringt 310 Millionen Mark, die der Landeskasse flötengehen.

Wie Bausenator Nagel gestern gegenüber der taz erklärte, hänge es nun vom Abgeordnetenhaus ab, ob die neue Vorgabe auf Sony und Daimler-Benz zutreffe. Denn bislang gelte noch die Regelung, daß „mit Erteilung der Baugenehmigung die Stellplatzablöse gezahlt werden müsse“. Im Klartext: Entscheidet das Abgeordnetenhaus, bevor die Baugenehmigung für Daimler-Benz und Sony beschieden ist, brauchen die Konzerne nicht mehr zu zahlen. In seinem Haus ist allerdings bereits erkannt worden, daß „in Hinblick auf die bereits bekanntgewordenen Novellierungsbestrebungen, die konsequente Einhaltung der derzeitigen Anforderungen“ zur Folge hätte, „daß Bauvorhaben bis zum Inkrafttreten der Rechtsänderung zurückgestellt werden“. Deshalb bestimmt die Vorlage lapidar, daß „für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes nicht geleistete Zahlungen von Ablösebeträgen (...) die Zahlungspflicht (entfällt)“. Das heißt, die Konzerne können beruhigt davon ausgehen, daß sie nichts zahlen müssen.

Der Senat will, bevor er die Vorlage beschließt, noch einige Details prüfen. Diese betreffen jedoch nicht die Vergünstigungen, die den Konzernen zuteil werden. Noch im Frühjahr 1992 hatte Nagel zu den Verhandlungen mit Daimler-Benz erklärt, in der Frage der Autostellflächen werde man nicht mehr mit sich handeln lassen, die Ablösesumme für nicht gebaute Parkplätze von je rund 40.000 Mark gingen in den U- und S-Bahn-Bau. Deren Finanzierung wird sich nun wohl aus anderen Quellen speisen müssen. Dieter Rulff