USA schützen sich vor Flüchtlingen

Parlament will Clintons außenpolitische Entscheidungsmöglichkeiten einschränken / Stationierungen in Haiti sind unwahrscheinlich, Sanktionen werden aber verschärft  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Es mag sein, daß der Präsident der Vereinigten Staaten dieser Tage wehmütig an die beschaulichen Zeiten als Gouverneur in Arkansas zurückdenkt: Nach einer höchst panischen Rückzugsplanung im Fall Somalia, einer deutlichen Provokation durch die militärischen Machthaber in Haiti sowie immer schärferen Mißtönen in Europa muß Bill Clinton den neuesten außenpolitischen Konflikt nun direkt vor der Haustür austragen: im amerikanischen Kongreß.

Dort planen Abgeordnete, darunter der Führer der Senatsfraktion der Republikaner, Robert Dole, jede Stationierung von US- Truppen in Haiti vorher durch das Parlament absegnen zu lassen. Sowohl Dole als auch Clinton wissen, daß die gegenwärtige Stimmung in der Öffentlichkeit wie im Parlament eine solche Zustimmung höchst unwahrscheinlich macht. Ein weiterer Antrag des republikanischen Senators Don Nickles aus Oklahoma sieht vor, daß ab dem 1. März 1994 jede Teilnahme US- amerikanischer Truppen an Blauhelmeinsätzen der UNO, die nicht unter amerikanischem Kommando stehen, vom US-Kongreß genehmigt werden muß. Dole will zusätzlich durchsetzen, daß Clinton auch im Fall Bosnien die Legislative um Erlaubnis fragen muß, bevor US-Soldaten als Teil einer multilateralen Truppe in das ehemalige Jugoslawien geschickt werden. Dies hat Clinton bereits von sich aus zugesagt. Bislang ist die Kompetenz des Präsidenten, Truppen zu entsenden, lediglich im Kriegsfall durch den „War Powers Act“ eingeschränkt.

Sollten die Anträge eine Mehrheit finden, würde damit nicht nur der Handlungsspielraum der Regierung bei zukünftigen multilateralen Operationen drastisch eingeschränkt. Für Clinton steht mit diesem internen Konflikt auch seine ohnehin schon umstrittene Rolle als Außenpolitiker und Oberbefehlshaber der Streitkräfte auf dem Spiel. Entsprechend scharf verwahrte er sich am Montag in einem Brief an die Fraktionsführer beider Parteien im Senat und in Radiointerviews gegen jede Einschränkung seiner außenpolitischen Autorität. „Die endgültige Entscheidung über die Entsendung von Truppen muß in der Hand des Präsidenten bleiben.“ Er würde sich gegen jeden Gesetzesantrag wehren, der ihn darin beeinträchtige, seinen „verfassungsgemäßen Pflichten als Oberkommandierender der Streitkräfte nachzukommen, und der das Vertrauen verbündeter Nationen in die Vereinigten Staaten schwächen könnte“.

Ebenfalls am Montag verschärfte Clinton die Sanktionen, indem er gegen Angehörige der haitianischen Polizei und des Militärs ein Einreiseverbot verhängen und deren US-Konten einfrieren ließ. Gleichzeitig erklärte der US- Präsident, es wäre „ein Fehler, militärische Optionen im Fall Haiti auszuschließen“. Dies ist nicht nur als Signal an Militärs und Polizei in Haiti zu verstehen, sondern auch als Antwort auf den innenpolitischen Gegner. Die Rückkehr des demokratisch gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide nach Haiti, die entsprechend dem von der UNO vermittelten Abkommen von Governors Island für den 30. 10. vorgesehen war, ist es für Dole „nicht wert, das Leben eines einzigen US-Soldaten zu riskieren“. Dieses Statement trifft nicht nur eine weitverbreitete Stimmung in den USA, es ist auch eine Kampfansage an Clintons Versuch, am Beispiel Haiti ein Exempel für seine zukünftige Außenpolitik zu statuieren: die Ausweitung demokratischer Verhältnisse und kapitalistischer Wirtschaftsformen – vorausgesetzt, ein solches Engagement erscheint im Rahmen des „nationalen Interesses“ der USA geboten. Im Fall Haiti hat Bill Clinton weitaus deutlicher als am Beispiel Bosnien oder Somalia klargemacht, was unter diesem „nationalen Interesse“ zu verstehen ist: der Schutz amerikanischer Bürger in Haiti sowie der Schutz der USA vor neuen Flüchtlingen.

Siehe auch Seite 10