Journalisten zwischen Baum und Borke

■ Eifrig beklatscht Türkeis Staatspresse das Militär / Deshalb will die PKK Zensur

Die Mitteilung war kurz – und enttäuschend. Die taz, so ließ uns ein Mittelsmann wissen, sei bei dem Gespräch mit Abdullah Öcalan in Beirut nicht erwünscht. Das Interview mit dem Chef der kurdischen Arbeiterpartei PKK fand ohne die taz statt. Der Vorgang war ungewöhnlich, kommt aber häufiger vor. Auch andere Politiker suchen sich Gesprächspartner aus, die ihnen genehm sind. Und die Kunst der Propaganda wird gerade in Kriegssituationen gepflegt.

Spätestens seit dem Vietnamkrieg ist bekannt, welche Rolle eine breite Berichterstattung für eine Guerillabewegung haben kann. Um so unverständlicher ist deshalb der Schritt der PKK, jede Berichterstattung aus den umkämpften kurdischen Gebieten zu verbieten. Die PKKler begründen ihre Drohung gegen Journalisten mit der „einseitigen Berichterstattung“ zugunsten der türkischen Regierung und des Militärs.

Tatsächlich liegen Aufmachung und Inhalt von Berichten über Kurdistan in der türkischen Boulevardpresse oft jenseits aller Kritik. Begeistert werden die Heldentaten der türkischen Militärs gefeiert, die Kommuniqués der Armeeführung kommentarlos abgedruckt und gegen die Forderung der Kurden nach Selbstbestimmung haltlos polemisiert. Dazu kommt, daß selbst die linksliberale Intelligenz zumeist aus einer kemalistischen Tradition kommt, die gegen eine Anerkennung ethnischer Pluralität steht.

Trotzdem waren es bislang das Militär und die türkische Regierung, die mit der Berichterstattung aus Kurdistan Schwierigkeiten hatten. Schon vor zwei Jahren wurde den türkischen Zeitungen offiziell eine Berichterstattung aus Kurdistan untersagt. Außer den Militärkommuniqués sollte nach dem Willen der türkischen Regierung nichts erscheinen. An diese Zensur haben sich viele Zeitungen nicht gehalten. So waren bei dem Beiruter Gespräch mit PPK-Chef Abdullah Öcalan selbstverständlich türkische Journalisten dabei. Und Milliyt, eine der meistverkauften Zeitungen des Landes, wurde mehrmals beschlagnahmt, weil sie ein seitenlanges Interview mit Öcalan in Serie druckte. Waren den Militärs die türkischen Medien schon ein Dorn im Auge, gilt dies erst recht für die Auslandspresse.

Seit Jahren werden Auslandsjournalisten, die sich nach Türkisch-Kurdistan trauen, systematisch beschattet, potentielle Gesprächspartner bedroht und mitunter verhaftet.

Vor allem die ausländische Presse soll abgeschreckt werden, wenn Journalisten wie der deutsche Stephan Waldberg an der irakisch-türkischen Grenze als angebliche PKK-Kuriere festgenommen werden. Die Hartnäckigkeit, mit der Ankara gegenüber dem Bonner Auswärtigen Amt und selbst Kanzler Kohl eine vorzeitige Haftentlassung Waldbergs verweigert, zeigt, wie sehr gerade die türkische Regierung sich durch die Berichterstattung über den Krieg in Kurdistan getroffen fühlt. In der türkischen Öffentlichkeit gelten besonders deutsche Zeitungen und das deutsche Fernsehen als Sympathisanten der aufständischen Kurden. Als Beweis hierfür muß herhalten, daß die PKK in Deutschland immer noch nicht als terroristische Organisation eingestuft und verboten wurde. Statt dessen hat eine kurdische Nachrichtenagentur, die mindestens PKK-nah berichtet, ihren Hauptsitz in Köln. Spätestens seit die Bundesregierung nach Berichten deutscher Medien über den Einsatz ehemaliger NVA-Panzer gegen die kurdische Bevölkerung ihre Waffenlieferungen an die Türkei für einige Monate unterbrach, stehen deutsche Journalisten pauschal unter Kollaborationsverdacht mit der PKK.

Das sieht die PKK natürlich anders. Wortreich beklagt sie, daß über die Unterdrückung der Kurden in der Türkei zuwenig berichtet würde. Gelegentlich wird diesen Klagen durch Besuche größerer Gruppen in ausgewählten Redaktionen Nachdruck verliehen. Auf ganz unbotmäßige Berichterstattung reagierte die PKK schon in der Vergangenheit ziemlich drastisch. Als Focus ein Interview mit Abdullah Öcalan brachte, in dem dieser kundtat, die rassistischen Angriffe auf Türken in Deutschland seien doch nicht das Schlechteste, wollten seine Sympathisanten hier den Spruch nicht wahrhaben und verlangten von Focus den Wahrheitsbeweis. Da dieser strittig blieb, ging man letztlich mit Hammer und Axt gegen das Focus-Mobiliar vor.

Kritische ausländische und türkische Journalisten, denen das Schicksal der Kurden in der Türkei nicht gleichgültig ist, sitzen nun zwischen Baum und Borke. Bei einem Besuch in Kurdistan werden sie von beiden Seiten bedroht. Wahrscheinlich mit dem Ergebnis, daß der Krieg in Kurdistan noch weiter in den Schatten anderer Krisenregionen rückt. Jürgen Gottschlich