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Heckelmanns halbe Wahrheit

■ Innenverwaltung wußte um Darabis Gefährlichkeit

Als im Mai die Observationspannen im Zusammenhang mit dem „Mykonos“-Attentat öffentlich wurden, wandte sich Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) gegen „nicht nur widersprüchliche, sondern leider auch regelrecht falsche Angaben“. Mittlerweile sind Zweifel angebracht, daß seine Darstellung der vollen Wahrheit entspricht. Heckelmann hatte darauf hingewiesen, „daß mir Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden über D. (Kazem Darabi, einer der mutmaßlichen Attentäter, d. Red.) erst nach dem Anschlag mitgeteilt worden sind“. Was er nicht erwähnte, war ein Bericht, den das Landesamt für Verfassungsschutz bereits im Sommer 1991 der Innenverwaltung zukommen ließ. Nach Informationen der taz wurde das Papier von Staatssekretär Armin Jäger zur Kenntnis genommen und von ihm auch abgezeichnet. Ob dieser pflichtgemäß auch seinen unmittelbaren Vorgesetzten Heckelmann informiert hat, wird der „Mykonos“-Untersuchungsausschuß in einer seiner nächsten Sitzungen zu klären haben.

Unter dem Aktenzeichen II A- 049- A 00000 4- 7/91 gaben die Verfassungsschützer damals ihrer vorgesetzten Verwaltung einen Lagebericht zum Thema Ausländerextremismus in Berlin. Gleich zweimal widmet sich das Papier den Aktivitäten Kazem Darabis. Zum einen wird er als eine der führenden Personen der Hisbollah bewertet, zum anderen seine maßgebliche Tätigkeit in der proiranischen Studentenorganisation UISA gewürdigt. An der Gefährlichkeit beider Organisationen läßt der Report keinen Zweifel. Das LfV ging davon aus, so ergaben auch Recherchen des SFB, „daß die Hisbollah langfristig Terroranschläge in Europa plant und hierfür kontinuierlich Vorbereitungen trifft. Die Organisation stellt somit eine latente Bedrohung der inneren Sicherheit Berlins dar.“ Eine latente Gefahr für die innere Sicherheit der BRD, so das LfV, stellt auch „die islamisch extremistische, vom islamischen Mullah- Regime gesteuerte UISA dar, weil sie in der Vergangenheit mehrfach Gewalthandlungen gegen in Deutschland lebende iranische Oppositionelle durchführte“.

Entgegen diesen konkreten Angaben, die seinem Haus bekannt waren, erklärte Heckelmann am 4.Mai 1993 zu der Erkenntnislage im Vorfeld des „Mykonos“-Attentates: „Aufgrund der damaligen weltpolitischen Lage existierten lediglich allgemein gehaltene Warnhinweise, die jedoch im wesentlichen israelische und amerikanische Institutionen und Behörden und gerade nicht iranische Oppositionelle als gefährlich einstuften.“ Für die Grünen-Abgeordnete Renate Künast ist es die Unwahrheit, wenn Heckelmann behaupte, daß sein Haus erst nach dem 17. 9. 1992 von der von Darabi ausgehenden Gefahr wußte. Dieter Rulff

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