Hans-Hubert Vogts als Gesamtbundes! Von Herrn Thömmes

So, nun machen wir es mal wie der Physiklehrer in der „Feuerzangenbowle“ und stellen uns ganz dumm, fragen allsdann: Was ist eigentlich 'ne Bundespräsident? Weil das niemand so recht sagen kann, werfen wir einen Blick in – Meyers großes Lexikon und lesen dort, 'ne Bundespräsident habe Befugnisse: den Kanzler vorschlagen, Unteroffiziere ernennen und entlassen sowie Gesandte auswärtiger Staaten empfangen. Das ist, sollte man meinen, nicht allzuviel verlangt. In Wahrheit ist es ganz schön schwierig, denn 'ne Bundespräsident muß außerdem Sorge tragen dafür, daß alles gut wird, gleichsam als ein übergeordneter Allesgutmacher. Das steht zwar weder im Lexikon noch im Grundgesetz – dafür aber in allen Zeitungen.

Früher gab es vor der Kür von 'ne Bundespräsident keine große Aufregung – weil es noch nicht soviele verschiedene Zeitungen gab. (Man muß vorsichtig sein mit solchen Behauptungen, weil das Amt schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden könnte.) Heute indes wird heftig gestritten. Die Woche will als Allesgutmacher Ignatz Bubis, die Wochenpost hält es mit Jens Reich, Focus schiebt Genscher nach vorn, dem Spiegel wäre Johannes Rau recht (oder ist da was verwechselt?), die Titanic fietschert HJ Möllemann, und Regine Hildebrandt tät' auch manchen passen. Nur der Kanzler will Heitmann. Der „Dünnlippige“ (taz) mit dem „fanatischen Zug um den Mund“ (Spiegel) – ein Allesgutmacher?

Folgt man der mit religiösem Eifer geführten Debatte, dann geht es um nicht weniger als ums Ganze: Deutschland. Ein Blick vor die Zeit, als noch nicht der edle von Weizsäcker der Republik als gütiger König vorstand, irritiert dann doch. Heinrich Lübke („Meine Damen und Herrn, liebe Neger“), dessen Reden im Plattenregal neben Karl Dall stehen. Walter Scheel, der seine wahre Berufung (neben dem Golfspiel) durch die Wahl zum Präsidenten des Direktoriums für Vollblutzucht fand. Karl Carstens, der auch durch „etappenweise Wanderungen“ („Munzinger Archiv“) seiner NSDAP-Zeit nie ganz davonlaufen konnte – immerhin schaffte er 1.500 Kilometer in einer Amtszeit! Was 'n gesamtgesellschaftliches Chaos seinerzeit mit den dreien, erinnert sich noch jemand?

Nun erstaunt, daß niemand auf die naheliegendste Lösung kommt, eine kostengünstige zumal, was deutliche Zeichen setzen würde: Hans-Hubert Vogts. Der Mann ist gern im Ausland, fährt heute mit dem Wohnmobil durch Kanada und kraxelt morgen auf den Kilimandscharo. Er hat gen Osten Integrationswillen gezeigt (Thom, Kirsten, Sammer) und dabei den Proporz beachtet, stets im Dialog mit jungen Menschen. Vogts kann die Nationalhymne mitsingen und bewahrt dabei Haltung, er verfügt über ausreichende Erfahrung mit den Medien (daß er Bild meidet, macht ihn gerade auch für die Leserschaft dieser Zeitung interessant). Mit Vogts' Ernennung als 'ne Bundespräsident hätten auch die neuen Länder endlich etwas eingebracht: das Prinzip des Sportlers als „Diplomat im Trainingsanzug“.

Gerade hat der Deutsche Fußballbund (DFB) Vogts' Vertrag mit ins nächste Jahrtausend verlängert, warum die beiden Jobs nicht zusammenlegen? Ein paar Unteroffiziere könnte der Gesamtbundes (-trainer, -präsident) auch aus dem Trainingslager entlassen.