■ Französische Forscher inszenieren einen Super-GAU
: Alles im Griff

Wenn im südfranzösischen Forschungsreaktor Phébus der GAU, der größte anzunehmende Unfall, ausgelöst wird, hoffen die Wissenschaftler, daß der Reaktor seinem Namen keine Ehre macht: Phoebus, ein Beiname des Apollon, könnte man mit „der Strahlende“ übersetzen. Früher versuchte die Atomindustrie, die Sicherheitsrisiken einfach herunterzureden. GAU bezeichnet im Nuklearkauderwelsch einen Unfall, den man gerade noch beherrschen kann, bei dem es also nicht zur Kernschmelze kommt. Nun weiß man nicht erst seit Tschernobyl, daß auch der Super-GAU durchaus möglich ist. Seither haben die Reaktorbauer große Schwierigkeiten, noch einen Reaktor genehmigt zu bekommen. Wenn nun aber der Nachweis gelänge, daß selbst der Super-GAU beherrschbar ist ...

Die vermeintliche Beherrschbarkeit von Nukleartechnik ist einer der Kernpunkte der Energiekonsensgespräche. Könnte man doch nur die Bevölkerung davon überzeugen, daß eine Atomkatastrophe so unwahrscheinlich ist wie ein Meteoritenschlag. Und um noch eins draufzusetzen, soll das Volk auch glauben gemacht werden, daß die Katastrophe durchaus kontrollierbar ist. Es passiert kein Unfall, und er ist beherrschbar, das ist die Message von Regierung und Atomindustrie.

So richtig scheint die Atomgemeinde aber auch nicht daran zu glauben, daß eine Nuklearkatastrophe ausgeschlossen werden kann. Zu Recht, denn auch wenn die Wahrscheinlichkeitsrechnung belegt, daß nur einmal in einer Milliarde Jahren ein Unfall passieren kann – wer sagt, daß dieses einmal nicht gerade morgen ist? Daß die Techniker wie auch die französische Regierung und die EG als Geldgeber eine künftige Nuklearkatastrophe skrupellos einkalkulieren, das belegen EG-Dokumente über das Atom-Experiment. Der Versuch soll helfen, schwere Unfälle künftig besser in den Griff zu bekommen.

Der deutschen Atomindustrie dürfte der Versuch in Südfrankreich daher gerade recht kommen. Denn er soll zeigen, daß selbst ein Super-GAU gar nicht so schlimm ist. Alles unter Kontrolle, wenn wir wissen, was bei der Kernschmelze genau passiert, dann können wir sie auch beherrschen. Menschliches Versagen haben die auf die pure Technik fixierten Wissenschaftler ohnehin noch nie in die Kalkulation aufgenommen. Siemens und Framatom wollen schon im kommenden Jahr einen Reaktor vorstellen, bei dem auch im Katastrophenfall die radioaktive Verseuchung auf die unmittelbare Umgebung der Anlage begrenzbar sein soll. Die Nukleargemeinde wird sich durch den Versuch darin bestätig fühlen, daß jede Art von Technik beherrscht werden kann. Nicola Liebert