Grams' Tod: Selbst ist der Mörder

■ Neues Teilgutachten der Züricher Polizei zu Bad Kleinen / Justizminister glaubt an Suizid

Berlin (taz) – Der böse Vedacht wird entsorgt. Das RAF-Mitglied Wolfgang Grams soll bei der wilden Schießerei in Bad Kleinen nicht von Beamten der GSG-9, sondern höchstwahrscheinlich von der eigenen Hand erschossen worden sein. Diese Version glaubt jedenfalls der Justizminister in Mecklenburg-Vorpommern, Herbert Helmrich (CDU). Ausgehend von einem gestern bei der Schweriner Staatsanwaltschaft eingetroffenen Teilgutachten der Züricher Stadtpolizei, geht der CDU-Politiker davon aus, daß auf den bereits am Boden liegenden Grams nicht mehr geschossen wurde. Mit der Expertise, die der Minister gestern in Schwerin referierte, wird nun auch die Einstellung der Ermittlungen gegen zwei GSG-9-Beamte wegen der Tötung von Grams immer wahrscheinlicher.

Dem Gutachten zufolge soll es außer für den tödlichen, aus nächster Nähe abgegebenen Kopfschuß keine Hinweise auf weitere Nahschüsse geben. Dies hatten aber sowohl eine Kioskverkäuferin auf dem Bahnhofsgelände als auch ein bisher anonym gebliebener Zeuge des Spiegels behauptet. Die Steckschüsse im Bauch und Oberschenkel sowie ein Streifschuß im Bereich der Hüfte, heißt es im Gutachten, sollen aus mindestens eineinhalb Metern Entfernung abgefeuert worden sein. Für Helmrich steht damit fest, „daß zur Zeit kein Widerspruch zu dem bereits vorliegenden Gutachten des Institutes für Rechtsmedizin der Universität Münster erkennbar ist“. Auch die Münsteraner Experten hatten nach der Untersuchung der Blutspuren an der Waffe von Wolfgang Grams Ende September die These favorisiert, Grams habe sich selbst getötet. Sie hatten erklärt, eine Selbstmordversion stehe „widerspruchsfrei“ zu den ausgewerteten Indizien.

Helmrich mußte gestern aber einräumen, daß weiterhin offen sei, ob Grams durch einen Unglücksfall, Fremd- oder Selbsttötung gestorben ist. Die entscheidende Frage, wer den tödlichen Kopfschuß abgegeben hat, ist in dem Züricher Zwischenbericht ausgeklammert worden. Die Untersuchungen dazu dauerten noch an, heißt es zur Begründung. Für die „regelrechte Hinrichtung“, die die beiden Zeugen beschrieben hatten, fanden die eidgenössischen Gutachter nach Helmrichs Worten aber keine Anhaltspunkte.

In der Beurteilung der Schußdistanz stützen sich die Schweizer Gutachter auch auf die Auswertung der in Bad Kleinen von der GSG-9 eingesetzten „Action-Munition“. Diese Projektile sollen „signifikante Trefferbilder“ ergeben, die „unseres Erachtens aus größerer Distanz als 1,5 Meter“ entstanden.

Die Ermittlungen der Schweriner Staatsanwaltschaft sind nach des Ministers Angaben noch nicht abgeschlossen. Hierfür sei noch die Auswertung des ausstehenden abschließenden Gutachtens aus Zürich erforderlich. Die Staatsanwaltschaft in Schwerin rechnet im November mit einem Abschlußbericht. wg

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