Werften in stürmischen Gewässern

■ IG Metall prognostiziert einschneidenden Arbeitsplatzabbbau    Von Sannah Koch

Maritime Katastrophenbilder malte der Hamburger IG Metall-Bezirksleiter Frank Teichmüller gestern vor der Presse aus, um die schlechte Situation der norddeutschen Werften zu verdeutlichen. Der deutsche Schiffbau segele durch schwere See, „voll im Gegenwind einer staatlichen Anti-Werften-Politik“ – so seine Analyse, die auf einer aktuellen Umfrage der IG-Metall und der Bremer Universität unter Betriebsräten von 34 Werften basiert. Danach steht der deutschen Werftindustrie in Ost und West 1994 ein Abbau von mindestens 3100 Arbeitsplätzen bevor. Alleine für die Hamburger Werften Blohm + Voß und Sietas KG prognostiziert Teichmüller eine Reduzierung um rund 270 Stellen.

Nach Ansicht der IG Metall das Ergebnis einer mangelhaften Bundespolitik, die eine perspektivische Planung für die Werften verhindere. Die Bundesregierung betreibe eine „nebulöse Schiffbaupolitik“, sprunghafte Förderpolitik und im Westen kaum beschäftigungspolitische Qualifizierung. Laut Teichmüller vetreibt vor allem das „Hü und Hott“ bei der staatlichen Werftenhilfe potentielle Kunden.

Daß die Auftragslage in den Bereichen Schiffbau und Reparaturbetrieb aufgrund der Rezession derzeit nicht sicher zu prognostizieren sei, bestätigte gestern eine Sprecherin von Blohm + Voß. Den von Teichmüller für ihre Werft genannten Abbau von 200 Stellen mochte sie hingegen nicht bestätigten. Kündigungen seien für 1994 nicht geplant, wohl aber eine „Reduzierung durch Rationalisierung und Altersabgänge“, räumte sie ein.

Als wichtigen Punkt für die rot-grünen Koalitionsgespräche in Hamburg bezeichnete Teichmüller die Frage nach einer Verbreiterung des Estesperrwerks in Hamburg-Cranz. Die Sietas-Werft brauche für ihr Überleben flexiblere Möglickeiten zum Bau größerer Schiffe. Ein Punkt, den Bürgemeister Voscherau in die Verhandlungen einbringen will und der in der GAL noch nicht abschließend entschieden ist. In dieser Frage gebe es zu Kosten und Naturschutz noch Klärungsbedarf, so GAL-Fraktionschefin Krista Sager.

Generell sei für die meisten Werften die Auslastung der Produktionskapazitäten für 1994 katastrophal, so Teichmüller. Durchschnittlich liege sie zur Zeit bei den befragten Unternehmen bei 88 Prozent in 1993 und 71 Prozent in 1994 ,dabei lägen die ostdeutschen Werften zukünftig besser im Rennen. Zum Erhalt der deutschen Werftindustrie forderte Teichmüller die Bundesregierung zu einer „kohärenten Schiffbaupolitik“ mit einer langfristig angelegten Förderpolitik auf. Die Wettbewerbshilfen durch Bund und Länder müssten mit einem Volumen von 250 Millionen Mark fortgeführt werden, um Aufträge, die 1994 akquiriert werden, auch ausführen zu können.