Klöckners Kling und Klong

■ Amir Soukie, Schwerstarbeiter, schweißt in seinem Kellerstudio den Industrial Beat für Bremens Underground

Allnächtlich werkelt er mit Synthies und Samplern an seinen Tracks: Amir Souki, der Chefmonteur der „Dry Halleys“Foto: Holzapfel

Welch feines Gehör doch selbst unsere hartgesottensten Rezensenten besitzen: „Schwere Industrialbeats“ ortete unser unbestechlicher Herr Reppesgaard auf der eben erschienenen „Dry Halleys“-CD „True Slave“; und siehe & höre: Im Schallarchiv von Amir Soukie, dem Chefmonteur der „Halleys“, finden sich tatsächlich Samples aus der Schwerstindustrie — „Sounds von Klöckner“, wie Amir enthüllt, von befreundeten Musikern heimlich aus der Wälzhalle entführt.

hierhin bitte das

Foto von dem jungen

Mann mit kariertem Hemd

Jetzt ist das mächtige Klingklong auf eine schmalen Diskette gebannt, ruht in Amirs kleinem Keller im Steintorviertel und harrt friedlich ihrer weiteren Verwendung, direkt neben dem Waldesrauschen und dem Motorbrummen: In Amirs Ohren ist alles Musik.

Amir ist selbst Schichtarbeiter. Nächtens schafft er im Fünf- bis Sechsstundentakt im Keller und hält seinen Maschinenpark in Bewegung. Testet neue Samples an, die letzten Fundsachen aus dem Lärm der Stadt;

schraubt an den Hüllkurven seiner Synthisounds. Und baut aus alledem am Computer, dank der Software mit dem schönen Namen „Creator“, den Rhythmus für die „Halleys“ und andere Bremer Indie-Produktionen.

Amir ist ein Arbeistier. An seinen polyrhythmischen Tracks sitzt er „sehr lange, und auch sehr gerne“. Meistens arbeitet er parallel auf mehreren Baustellen, an mehreren Projekten. Und sucht und sampelt und mixt, „um wirklich neue Klangkombinationen zu finden; ich hab' nie Lust ge

habt, die Ideen anderer Bands nachzuspielen“.

Die lange Konstruktionsphase der Industrialbeats ist freilich auch eine Folge der Industrialisierung von Amirs Instrumentarium. Der „Perfektionismus“, den Amir inzwischen betreibt, ist praktisch in die Geräte des gehobenen Homerecording- Marktes eingebaut: Je mehr Spuren sich zusammenbasteln lassen, je mehr mikroskopische Parameter sich am Klang z.B. eines Beckens verändern lassen, umso länger die Qual der Wahl.

Amir aber ist kein Sklave der Technik. Amir ist erstens Musiker: Geige, Klavier, Gitarre — alles mußte er in jungen Jahren erlernen, um dann in Punk- und Wavebands wie „Bluten & Binden“ und zuletzt „Les Funny Beduins“ alles zu vergessen. Und zweitens hat sich Amir jeweils das von der Technik geholt, was er für seine Soundexperimente brauchte. Kein 4-Spur-Recorder, wie ihn die Industrie in den achtziger Jahren in Massen auf den Markt warf, sondern zwei Tonbandmaschinen. Mit denen erfand er für sich das Pingpong- System, das inzwischen unter Homerecordern Brauch ist, um sich noch mehr Aufnahmespuren zu erschleichen.

So konnte sich Amir als sein eigenes Sechs-Mann-Orchester dienen und allnächtlich an neuen Sound- und Songideen schmieden. Weil er „immer intensiver Musik machen wollte als andere“, wie er sagt, und weil ein bis zwei Proben im Übungskeller ihm längst nicht reichten, hat er sich vor Jahren auf diese Art der Heimarbeit spezialisiert.

Da kam die erste programmierbare Rhythmusmaschine gerade recht. Keyboards kamen hinzu, und Sampler der jeweils neuesten Generation, die Byte um Kilobyte den Spielraum für Amir vergrößerten.

„Jetzt klingt's endlich genauso, wie ich es aufnehme“, spricht der Perfektionist. Jetzt klingt die Wumme echt nach Klöckner — auch wenn Amir doch wieder was ganz anderes daraus macht. Am liebsten aber wäre ihm doch eine Technik, bei der sich das Tüfteln völlig erübrigen würde: Eine Schnittstelle vom Musikerhirn zum Computer, „Brain to MIDI“ — das wird seine nächste Erfindung sein. tom