Wirtschaft am Hauptstadttropf

■ Der Wirtschaftsstandort Berlin ist vom Regierungsumzug im Jahr 2000 abhängig / Die Wirtschaftsförderung und die Arbeitsmarktpolitik müssen miteinander verknüpft werden

Berlin, so erklärte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Ditmar Staffelt, „ist ein Standort wie jeder andere, keiner kommt aus Mitleid nach Berlin“. Weil dem so ist, waren alle Fraktionen in der gestrigen Debatte des Abgeordnetenhauses zum Thema „Sicherung des Wirtschaftsstandortes Berlin“ froh, daß die Bundesregierung im Jahr 2000 in die Stadt zieht. Eine bessere Wirtschaftsförderung, so erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Reimund Helms, könne es nicht geben. Es sei, so bestätigte sein Fachkollege von der SPD, Joachim Niklas, das einzige Mittel, um die Stadt aus ihrer augenblicklichen Situation herauszuführen. Ganz so drastisch wollte es der zuständige Senator Norbert Meisner (SPD) nun doch nicht sehen. Die Hauptstadtentscheidung sei nicht das einzige Element der Wirtschaftspolitik. Andere wesentliche seien die Förderung der Forschungs- und Wissenschaftslandschaft Berlins am Standort Adlershof, die Sicherung des Industriestandortes sowie die Mittelstandsförderung. Meisner machte bereits „positive Entwicklungstendenzen der Hauptstadtregion“ aus. Allerdings waren die Kennzahlen deshalb so positiv, weil sie mit der Situation der übrigen neuen Bundesländer verglichen wurden. Die Zeiten, in denen sich Berlin an westdeutschem Standard messen konnte, sind auch für den Senat passé. So gab bereits die Steigerung der Beschäftigtenzahl in der Ostberliner Industrie von 38.000 im Mai auf nun 41.000 Anlaß zur Freude. Bei der Sicherung der industriellen Kerne nehme Berlin eine Spitzenstellung ein – gemessen an den fünf neuen Ländern. Der Motor der Arbeitsplatzentwicklung wird jedoch, nach Meisners Worten, der Dienstleistungssektor mit einem absehbaren Investitionsvolumen von 40 Milliarden Mark sein.

Die Grünen-Abgeordnete Michaele Schreyer bemängelte, daß die Verknüpfung von Wirtschaftsförderung und Arbeitsmarktpolitik nicht gelungen sei, obgleich der zweite Arbeitsmarkt von Dauer sei und als Instrument der Infrastrukturpolitik genutzt werden müsse. An eine Strukturpolitik will sie auch die von ihr vorgeschlagenen „zeitlich begrenzten und degressiv gestaffelten Lohnkostenzuschüsse“ koppeln. Meisner konzedierte, daß „eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik aus einem Guß“ noch nicht passiere. dr