Pflege im Sparformat

■ Kreis der Anspruchsberechtigten weiter verringert / Bundestag berät

Berlin (taz) – Die SPD wird heute bei der zweiten und dritten Lesung zur Pflegeversicherung im Bundestag dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Dies erklärte der Berichterstatter der SPD-Fraktion, Gerd Andres, der taz auf Anfrage. Zwar hätten die Änderungen des Entwurfes leichte Verbesserungen gebracht, beispielsweise das Einbeziehen von psychisch Kranken, andererseits sei der Personenkreis, der die Pflegeversicherung in Anspruch nehmen könne, weiter eingeschränkt worden.

Immerhin hat die Regierungskoalition nach massiver Kritik die geplante Streichung des Rechtsanspruches auf Pflegeleistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz wieder zurückgenommen. Das Sozialamt zahlt also auch in Zukunft für Sozialhilfeempfänger, die nicht unter das Pflegegesetz fallen, weil sie nicht täglich Pflege brauchen.

Dennoch kritisierte Andres den Gesetzentwurf als „grundsätzlich falsche Weichenstellung“. Die vom Ministerium berechneten Beitragssätze ab 1996 seien „eine Luftbuchung“. Nachdem der Bundeszuschuß für die Investitionskosten für Pflegeeinrichtungen gestrichen sei, sei unklar, wer für 3,6 Milliarden Mark jährlich aufkommen solle. Die Absicht des Bundes, die Investitionskosten von jährlich ca. 3,6 Milliarden Mark auf die Länder abzuwälzen, dürfte für Konfliktstoff sorgen. Ein Tauziehen um die Höhe des Länderbeitrags, der in einem Staatsvertrag vereinbart werden soll, ist schon jetzt absehbar.

Für die BeitragszahlerInnen gilt der Grundsatz: sofort bezahlen – Leistung später! Die Beiträge sind ab dem 1. Januar fällig, die Leistungen für häusliche Pflege werden jedoch erst ab 1. April 1994 ausgezahlt. Dies dürfte bei den Krankenkassen Erleichterung auslösen, da sie damit Zeit gewinnen, um die neue Versicherung organisatorisch in den Griff zu bekommen und nicht Leistungen auszahlen müssen, bevor Beiträge eingegangen sind. Nach Berechnungen von Andres spart Blüm auf diese Weise drei Milliarden Mark.

Die SPD kritisiert auch die nach wie vor fehlende Dynamisierung der Leistungen. Der Entwurf geht davon aus, daß wegen der dynamischen Beitragsbemessungsgrenze das Einnahmevolumen jährlich entsprechend der Lohnentwicklung steigt. Es ist jedoch fraglich, ob dies ausreicht, die üblichen Preissteigerungen bei Löhnen des Pflegepersonals sowie Sachkosten auszugleichen.

Daß die Leistungen der Pflegeversicherung nicht ausreichen, wird im Gesetzentwurf freimütig eingeräumt. Ziel sei keine „Rundumpflege“, sondern eine „Grundversorgung“. Für den Rest möge man sich bitte privatversichern. Die Kosten für eine „freiwillige Pflege-Zusatzversicherung“ kann man dann von der Steuer absetzen.

Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bedeutet der Höchstbetrag von 2.100 Mark für Heimpflege, daß in Ostdeutschland nach wie vor fast alle Pflegebedürftigen in Heimen von der Sozialhilfe abhängig bleiben. Und selbst in den alten Bundesländern gälte dies für 40 Prozent der Pflegefälle im Heim. Zwar soll der für 1991 berechnete Höchstbetrag bei seiner Einführung 1996 aufgestockt werden, doch auch dann dürfte er weit unter den 4.000 Mark bleiben, die ein Heimplatz mindestens kostet. win