"Wir sind keine Untermieter"

■ dctp-Chef Alexander Kluge zu erneuten Vorwürfen, seine Programme seien "Quotenkiller"

Niemand sieht sich dctp-Programme an. Mit diesem in den letzten Wochen immer wieder in Interviews lancierten Argument wollen Helmuth Thoma von RTL und Bernd Schiphorst von Vox die ungeliebten Kultur- und Informationsprogramme der „Development Company for Television Programs“ (dctp) loswerden. Doch RTL und Vox haben (genauso wie Sat.1) ihre Lizenzen nur erhalten, weil sie dctp „Kulturfenster“ eingeräumt haben – zwei Stunden bei RTL, knapp zehn Stunden bei Vox. So sind die Sender nicht nur zu den erfolgreichen „Spiegel TV“-Sendungen gekommen, sondern auch zu recht esoterischen Programmen wie „Primetime“ und „100 Minuten Vielfalt“, die zum Teil von Alexander Kluge bestritten werden. Kluge verdient an diesen Sendungen nicht schlecht, laut „Süddeutsche Zeitung“ bringen sie ihm „mehr als 100.000 Mark pro Woche“ ein.

Der Pionier des neuen deutschen Kinos ist heute Organisator von dctp. An dctp sind die japanische Werbeagentur Dentsu (34 Prozent), Kluge selbst (50 Prozent) und der „Spiegel“-Verlag (16 Prozent) beteiligt. Die taz sprach mit Kluge über seine Programme, die der SPD-Medienpolitiker Büssow einmal den „Bildungsablaß für die Privaten“ nannte.

taz: „Es geht nicht an, daß der Parasit bestimmt, wohin sich der Wirtsorganismus bewegt.“ Herr Kluge, wer hat das gesagt und über wen?

Alexander Kluge: Das hat Helmuth Thoma von RTL in einem Interview über unsere Sendungen bei Vox gesagt. Er meint damit, daß investigativer Journalismus, Kulturprogramme und Dokumentationen im privaten Fernsehen überflüssig sind. Am Tag nach der Veröffentlichung hat er mich angerufen und gesagt: „Hier ist Herr Wirt“, und mich dann gefragt, ob ich mich geärgert habe.

Er hat damit gemeint, daß Sie als Untermieter bei Vox...

Wir sind keine Untermieter. Vox und RTL haben ihre Lizenz zusammen mit dctp beantragt und bekommen.

Trotzdem argumentieren die beiden Sender ja, daß Ihre Sendungen Quotenkiller sind, die ihrem eigenen Programm schaden.

Da müssen Sie sich mal die Quoten ansehen...

Zum Beispiel 200.000 ZuschauerInnen bei „Format NZZ“...

Aber das ist doch die Höchstmarke bei Vox! Das hat sonst vielleicht „Kommissar Moulin“ oder Steffi Graf. Vox hat ganz generell diese niedrigen Quoten. „Primetime“ auf RTL hatte letzte Woche 1,3 Millionen Zuschauer. Jetzt vergleichen Sie das mal mit Gottschalk, der jetzt an der Grenze von 1,5 Millionen laboriert. Mit einem Kulturmagazin kommt man eben nicht über die Einwohnerzahl einer Großstadt hinaus. Ich finde es Irrsinn, so zu tun, als ob eine Million Menschen nichts wären. Wenn Sie nur Mainstream machen, weiß doch niemand mehr, was man da zeigen soll. Wenn es in ein paar Jahren 150 Sender gibt, wird man sich über eine Million Zuschauer pro Sender freuen.

Einige dieser dctp-Sendungen auf Vox sind aber wirklich langweilig, zum Beispiel „Die Zeit im Gespräch“.

Diese Sendung ist im letzten Monat gründlich reformiert worden. Aber wenn Sie unsere Programmschiene auf Vox am Samstagabend ansprechen: Denken Sie doch mal an die Zielgruppen. Meine Frau zum Beispiel, eine ganze wichtige Zielgruppe [HERRjemine, d. s-in], die guckt sonst am Samstagabend überhaupt kein Fernsehen, weil da nur Mainstream-Unterhaltung, Sport und Männer-Kino kommt.

Sie haben gerade „Spiegel TV“ erwähnt. Helmuth Thoma sagt ja, auf dem freien Markt könnte er diese Programme billiger haben.

„Spiegel“ kann man nicht kaufen. Und der Herr Thoma würde die doch auch gar nicht unabhängig produzieren lassen! Lord Pearls, der in England Anfang der achtziger Jahre unter Margret Thatcher eine Studie über das Fernsehen gemacht hat, hat definiert: „Privates Fernsehen ist der Verkauf eines Publikums an die werbliche Wirtschaft.“ Der Thoma sieht das genauso: Der transportiert ein Publikum von A, also ihrem Wohnzimmer, nach B, nämlich dahin, wo die Werbung ist. Dafür braucht er aber keine politischen Sendungen wie „Spiegel TV“. Im übrigen habe ich nichts gegen Helmuth Thoma. Der sagt, er ist der Mann für die schweren Säbel, und ich bin der Florettfechter. Bei den Olympischen Spielen kommen beide vor. Den sollte man mal einen Informationssender leiten lassen, der würde es nämlich schaffen, im Gegensatz zu den Dilettanten bei Bertelsmann.

Was ist eigentlich mit Ihrem Plan für ein Medienmagazin auf Vox passiert?

Das ist weiterhin in Planung, aber zur Zeit müssen wir erst mal an unseren bestehenden Programmen arbeiten, genauso wie Vox selbst auch.

Glauben Sie denn noch an die Zukunft von Vox?

Lassen Sie mich doch bitte über unsere Programme urteilen und nicht über Vox...

Aber Sie sitzen doch im gleichen Boot!

Wir sind zwar durch Schotten miteinander verbunden, aber wir sinken nicht unbedingt, wenn der Hauptdampfer sinkt. Das ist nicht wie die Titanic gebaut.

Apropos Titanic: Als die gleichnamige Satirezeitung im vergangenen Monat Jürgen Möllemann als Kandidat für den Bundespräsidenten vorgeschlagen haben, gehörten auch Sie zu den Befürwortern. Wieso?

Aus Überzeugung natürlich. Interview: Tilman Baumgärtel