: Litauens höchster Berg
Arvidas Sabonis von Real Madrid war beim Basketball-Turnier in Bayerns Hauptstadt für Leverkusen ein paar Nummern zu groß ■ Aus München Matti Lieske
„Sabonis, Sabonis, Sabonis!“ So beschrieb die spanische Zeitung El Pais jüngst das Spiel der Basketballmannschaft von Real Madrid. Trainer Clifford Luyk mag da nicht so recht widersprechen. „Er ist für uns so wichtig, wie es ein Spieler mit 2,21 Meter und 140 Kilo nur sein kann.“ Zwar ist Arvidas Sabonis, das menschliche Gebirge aus Litauen, mit seinen 29 Jahren nicht mehr das kraftstrotzende Basketball-Monument vergangener Tage, als er die sowjetische Nationalmannschaft zu olympischem Gold führte, aber seinem Ruf als bester Spieler, der nie in der NBA gespielt hat, wird er immer noch gerecht.
Vor sechs Jahren wurde er von den Portland Trail Blazers erwählt, doch politische Aversionen gegen den Sowjetstar und seine Sehnen, die die Last des mächtigen Körpers nicht mehr tragen mochten, machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Nach zwei Operationen ist der Schaden behoben, dafür zwackt's ihn jetzt am Fuß. „Ich spiele immer mit Schmerzen“, sagt er, aber zu einer weiteren Operation hat er keine Lust: „Ich bin schließlich keine 20 mehr.“
Anstatt in der NBA, wo er nach Luyks Überzeugung eine „dominierende Figur“ geworden wäre, Ruhm und Reichtum zu ernten, nährte sich Sabonis kärglich in Spanien, rekonvaleszierte in kleinen Klubs wie Valladolid, bis er schließlich bei Real Madrid landete, dessen größte Erfolge mit Drazen Petrovic und Fernando Martin, beide inzwischen tödlich verunglückt, auch schon ein paar Jährchen zurücklagen.
Sabonis hat es der Klub zu verdanken, daß er mittlerweile nicht nur nach Meinung des Leverkusener Trainers Dirk Bauermann zur „besten Vereinsmannschaft Europas“ avancierte, zumindest, seit der Kroate Toni Kukoc von Treviso nach Chicago gezogen ist. Das erklärte Ziel der Madrilenen von Real Sabonis ist der Gewinn der Europameisterschaft für Vereinsmannschaften, ein Wettbewerb, bei dem auch Bayer Leverkusen mit seinen neuen Amerikanern Tom Garrick und Abdul Shamsid- Deen endlich maßgeblich mitmischen will.
Beide Teams wurden in die gleiche Gruppe gelost, da kamen die „McDonald's Open“ von München gerade recht, um auszuprobieren, ob der Deutsche Meister in der Lage ist, die Kreise des Arvidas Sabonis entscheidend zu stören. Der Test verlief vor spärlicher Kulisse nicht gerade ermutigend für die Leverkusener. Obwohl Real nur neun Spieler aufgeboten hatte und seinen exzellenten litauischen Distanzwerfer Rimas Kurtinaitis wegen der Beschränkung auf zwei Ausländer (Luyk: „Das Turnier sollte eigentlich McDonald's Closed heißen“) nicht einsetzen konnte, gewannen die Madrilenen in einem sehr abwehrbetonten Match mit 85:75. Nach fünf Minuten lagen sie schon 19:3 in Führung, ließen die Sache dann aber schleifen, so daß Leverkusen bis ins Schlußviertel mithalten konnte.
Sabonis, der mit seinen diversen Verbänden und Pflästerchen wie eine etwas leichtbekleidete Mumie aussieht, schnappte sich 15 Rebounds, stakste gemächlich nach vorne, reckte mit unbewegter Miene einfach die Arme nach oben, und keiner konnte verhindern, daß der Ball eben dort landete. 21 Punkte waren seine Ausbeute.
Zudem zeigte sich, daß Real Madrid doch nicht ganz aus Sabonis besteht. Der emsige José Biriukow verhinderte, daß Michael Koch zu seinen gefürchteten Dreipunktewürfen kam, eine aufmerksame Abwehr um einen weiteren Litauer, Joe Arlauckas, ließ Henning Harnisch und Abdul Shamsid-Deen kaum in Korbnähe kommen, und Nationalspieler Antonio Martin ließ es sich nicht nehmen, stolze 20 Punkte zum Real-Erfolg beizusteuern.
Obwohl der große Auftritt gegen die Phoenix Suns damit geplatzt war, gaben sich sowohl die Leverkusener Spieler als auch der wie immer wohlpomadisierte Trainer durchaus gefaßt. „Kein Grund zum Weinen“, befand Bauermann, was zähle, sei einzig die Europaliga. Arvidas Sabonis hingegen konnte sich darauf freuen, wenn schon nicht in der NBA, wenigstens einmal gegen die NBA zu spielen.
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