Tacheles bei Goethens

■ Die „Strafexpedition gegen die Kultur“ trifft auch das Goethe-Institut. Hilmar Hoffman lud zur Pressekonferenz und informierte über Sparpläne

Die schönen Reden zur Amtseinführung des neuen Präsidenten des Goethe-Instituts Hilmar Hoffman am 2. Juli sind kaum verklungen, da muß in der neuen Zentrale des Instituts Tacheles geredet werden. Der neue Mann, „unter dessen Fuß zwar nicht Blumen sprossen, aber doch Museumsbauten“, wie ihn Peter Wapnewski damals begrüßte, lud zu einer außerordentlichen Pressekonferenz und wenig Ersprießliches war zu vernehmen. Es ging um Geld- und Stellenkürzungen, um die Schließung von Instituten, kurz: um „Strafexpeditionen gegen die Kultur“. Auch wenn der Namenspatron Goethe nicht so Schlimmes zu gewärtigen hat wie Patron Schiller mit seinem Theater, sah sich Hilmar Hoffmann genötigt, davor zu warnen, daß „in der Zeitrechnung nach Hoyerswerda“ nun die Zeit der Kulturbarbaren anbreche.

Goethe im Sparstrudel: 4,2 Prozent der Gesamtzuwendungen des Auswärtigen Amtes für den Haushalt des Instituts wurden im Jahr 1993 gekürzt, rund 14 Millionen Mark – von geplanten 330 Millionen. Für 1994 sind es gar 5,7 Prozent (= 18,7 Mio. DM). Darüber hinaus droht den Einrichtungen im Ausland, daß sie einen guten Teil ihres durch Sprachunterricht selbst verdienten Zubrotes wieder an Kinkel zurückführen müssen (noch mal cirka 6 Mio. DM weniger). Ab 1994 muß das Goethe-Institut wie alle Bundesministerien und -behörden außerdem 1,5 Prozent seiner Stellen einsparen, das bedeutet 22 Stellen weniger. Die „dritte Säule der deutschen Außenpolitik“, wie man das Wirken der auswärtigen Kulturpolitik bei Goethens gerne nennt, sieht harten Zeiten entgegen. Die Rede ist von „Ausdünnung, Verschlankung, ja Schließung ganzer Institute“.

Zunächst ist vor allem Südamerika betroffen (wo mit bisher 22 Instituten ein Schwerpunkt der Goethe-Arbeit lag). Drei der vier Institute, die 1994 geschlossen werden, liegen auf dem amerikanischen Subkontinent: Vina del Mar (Chile), San Juan (Argentinien) und Medellin (Kolumbien). Daß man die Verdünnung dabei gerade in den Städten der „Provinz“ vornimmt, schlägt den verzweifelten (und vernünftigen) Bemühungen der südamerikanischen Länder um Dezentralisierung böse ins Gesicht. Seit Jahren versucht man dort, die sich immer weiter aufblähenden Hauptstädte durch das Schaffen attraktiver regionaler Zentren zu entlasten. Wer einmal die Funktion etwa des Goethe-Instituts von Medellin für das kulturelle Leben dieser Stadt kennengelernt hat, mag zumindest am entwicklungspolitischen Verständnis der Sparkommissare zweifeln.

Die „Horrorszenarien“ für die nächsten Jahre, die Hoffmann entwarf, sehen bis 1997 die Schließung von insgesamt 17 Goethe-Instituten vor. Gleichzeitig sollen aber – vor allem im Osten – neue Institute gegründet werden. Finanziell eng wird es in jedem Fall. Bezeichnend sind die Zahlen im Bereich Film: Wurden 1992 noch 3,4 Millionen DM für Filmarbeiten im Ausland ausgegeben, so sind für 1994 nur noch 700.000 Mark veranschlagt, von denen für neue Projekte ganze 400.000 zur Verfügung stehen.

Zu den verordneten Sparmaßnahmen von oben kommen auch noch Einbrüche im „Eigenmittelbereich“ des Goethe-Instituts, das heißt vor allem bei den Sprachkursen in Deutschland, die sich selbst finanzieren müssen. Derzeit gibt es im Vergleich zum Vorjahr 17 Prozent weniger Kursteilnehmer. Zu den ausländerfeindlichen Ausschreitungen, die von einem Sprachstudium in Deutschland abgeschreckt haben, kommt als weiterer Hinderungsgrund nun noch die weltweite Rezession.

Daß gespart werden muß, sieht auch Hilmar Hoffman ein, daß aber bei der Kultur überproportional gespart wird, hält er für falsch. Das Präsidium befürchtet jedenfalls einen „erheblichen außenpolitischen Schaden“. Hoffmann scheut sich nicht, mit dem Hut herumzugehen, und Berührungsängste hat er dabei auch nicht. Mit Kohl hat er schon geredet. Außer dem wohlfeilen Satz, daß „Kultur zum Abbau der Angstvorstellungen (vor den Deutschen) dienen kann, gab es beim Kanzler bisher allerdings nichts abzuholen. Mehr Glück hatte Hoffmann bei verschiedenen Sponsoren. Bei denen sieht er im übrigen auch am ehesten Chancen, aus den schlimmsten Finanzklemmen herauszukommen. Daimler-Benz, Bertelsmann, die Deutsche Bank und andere haben immerhin schon sechs Goethe-Bibliotheken von Amsterdam bis Bombay gerettet. Nach weiteren Großspendern wird gesucht und an die Gründung eines Fördervereins denkt man auch.

Kultur sei „ein probates Mittel zur Milderung der Barbarei“ zitierte Hoffmann Hegel. Vielleicht sollte man den in alle Welt entsandten Kulturmenschen blaue Helme aufsetzen. Thomas Pampuch