Separatfrieden für Westbosnien

■ UN ernennt Ankläger für Kriegsverbrechertribunal

Genf (taz) – Der selbsternannte „Präsident“ der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, und der Führer der selbsternannten „Autonomen Provinz Westbosnien“, Fikret Abdić, haben gestern in Belgrad ein „dauerhaftes“ Friedensabkommen geschlossen. Das teilte der serbische Präsident Slobodan Milošević mit. Karadžić war gestern mit Abdić und Milošević in dessen Belgrader Präsidentensitz zu mehr als zweistündigen Verhandlungen zusammengekommen.

Abdić, ein Geschäftsmann aus Velika Kladuša und alter Rivale des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović, hatte die Region Ende September zum „autonomen Gebiet“ ausgerufen. Am Donnerstag hatte der Manager in der kroatischen Hauptstadt ein „Freundschaftsabkommen“ mit dem selbsternannten „Präsidenten“ der bosnischen Kroaten, Mate Boban, unterschrieben. In dem Papier wurde auch eine militärische Zusammenarbeit der Abdić-Truppen mit Bobans Miliz „Kroatischer Verteidigungsrat“ HVO festgeschrieben, die sich in der Praxis wohl gegen die bosnische Armee richten wird.

In der Nacht zum Freitag einigte sich der UN-Sicherheitsrat in New York auf den venezolanischen Generalstaatsanwalt Ramon Escovar Salom als Chefankläger im geplanten Tribunal gegen Kriegsverbrecher in Ex-Jugoslawien. Nach Informationen der taz hat das Sekretariat von UNO-Generalsekretär Butros Ghali die europäische UNO-Zentrale in Genf schriftlich ersucht, zunächst einmal für die erste Sitzung der elf von der UNO- Vollversammlung ausgewählten Richter am 17. November Räume im dortigen UNO-Gebäude zur Verfügung zu stellen.

Am Mittwochabend hatte Ghali den amerikanischen Völkerrechtsprofessor ägyptischer Abstammung, Cherif Bassiouni, zum Nachfolger des Niederländers Frits Kalshoven im Amt des Vorsitzenden der Vorbereitungskommission ernannt. Bassiouni, der die Kriegsverbrechen ohne politische Rücksichten verfolgen will, war ursprünglich Ghalis Kandidat für den Posten des Anklägers vor dem Tribunal. Er erhielt bei einer Probeabstimmung im Sicherheitsrat Ende August jedoch lediglich die sieben Stimmen der USA und der nichtpaktgebundenen Staaten. Der 67jährige Salom war seitdem der dritte Kompromißkandidat des UN-Generalsekretärs.

Der Niederländer Kalshoven war vor drei Wochen von seinem Amt als Vorsitzender der Expertenkommsiion zurückgetreten. Sein Stellvertreter, der Norweger Torkel Opsahl, war kurz zuvor gestorben. Kalshoven hatte seinen Rücktritt mit scharfer Kritik an der mangelnden Unterstützung der Kommissionsarbeit durch die UNO-Schutztruppen im ehemaligen Jugoslawien (Unprofor) und andere Instiutionen der Vereinten Nationen verbunden. Zudem attestierte er namentlich Deutschland, Frankreich und Großbritannien mangelnde Kooperationsbereitschaft. In Genf ist nun zu hören, das Interesse der Niederlande an der Durchführung des Tribunals in Den Haag sei nach dem Rücktritt Kalshoven erheblich gesunken.

Als neue Mitglieder der Expertenkommission ernannte Butros Ghali mit der norwegischen Richterin Hanne Sophie Greve und der niederländischen Professorin Petronella Maria Cleiren zwei Frauen, zu deren Hauptaufgaben in den nächsten Monaten die Sammlung von Beweisen und Befragung von Opfern und Zeuginnen für Vergewaltigungen gehören wird. Laut einem am Freitag in Genf veröffentlichten Zwischenbericht der bisher rein männlichen Kommission hat diese bisher erst Unterlagen über 3.000 Vergewaltigungsfälle erhalten. Andreas Zumach