„Ein großer Widerspruch“

■ Rot-Grün in Hamburg? Nach den ersten Koalitionsgesprächen zweifelt Krista Sager (GAL) an einem erfolgreichen Abschluß

taz: Eine Woche Verhandlungen zwischen SPD und GAL. Trotz aller Unkenrufe, Hamburg auf dem Weg zu Rot-Grün?

Krista Sager: Ich bin sehr skeptisch. Ich habe nicht das Gefühl, daß die SPD bislang einen Weg aus ihrem Dilemma gefunden hat, Rot-Grün mit Voscherau zu wollen, ohne daß Voscherau das will. Ich habe Zweifel, daß der Bürgermeister bereit ist, sich vor diesen Karren spannen zu lassen.

Die offiziellen Statements klangen anfangs optimistischer. Sind die wirklichen Knackpunkte schon auf den Tisch gekommen?

Auf der Sachebene laufen die Gespräche durchaus positiv. Es gibt Gemeinsamkeiten. Trotzdem stellt sich nicht der Eindruck her, daß das, was besprochen wird, sich irgendwann in einem Koalitionsvertrag wiederfindet.

Die Koalitionsverhandlungen als großer Bluff?

Eher als großer Widerspruch. Dieser ungelöste Widerspruch zwischen der Mehrheitsmeinung in der SPD und dem Wunsch, Voscherau am Tisch zu halten, liegt wie etwas Lähmendes über den Verhandlungen. Man hat den Eindruck, die arbeiten erst gar nicht hart daran, ihre eigenen Positionen in einem Bündnis wiederzufinden.

Das klingt eher wie ein Selbstfindungs-Workshop für die SPD. Hat die GAL einen Therapievorschlag?

Nein. Die SPD hat ja eigentlich nur die Möglichkeit, zu sagen, sie will Rot-Grün zur Not auch ohne Voscherau. Das sagt sie aber nicht. Zweite Möglichkeit: Voscherau macht sich den Mehrheitsbeschluß zu eigen. Das hat er aber nicht getan. Im Gegenteil. Er hat Eckpunkte auf den Tisch gelegt, die liegen zum Teil rechts von der CDU, die können für uns nicht Gegenstand eines Koalitionsvertrags sein. Definitiv nicht.

Hafenerweiterung, vierte Elbtunnelröhre, Elbvertiefung, hartes Durchgreifen der Polizei, Hafenstraße. Sie sehen keine Möglichkeit mehr zum Kompromiß?

Ich kann mir durchaus vorstellen, daß wir uns Tauschgeschäfte überlegen. Aber bei diesen Tauschgeschäften müßte sich unterm Strich auch ganz genau nachweisen lassen, daß wir auch tatsächlich etwas bekommen haben.

Zum Beispiel?

Das möchte ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Wir werden aber, falls es noch dazu kommt, durchaus an unsere Schmerzgrenzen gehen. Was für uns nicht verhandelbar ist, das ist die Hafenstraße. Da muß die SPD wissen, daß da was im Paket sein muß.

Die GAL hat immer gesagt, daß Rot-Grün nur funktionieren kann, wenn beide Seiten geschlossen den Erfolg wollen. Ist das aus der Erfahrung der letzten Wochen überhaupt noch denkbar?

Daß alle diesen Erfolg wollen, das hat sich in der Tat erledigt. Es gibt in der SPD wichtige Leute, die diesen Erfolg auf keinen Fall wollen. Und zwar unabhängig davon, wofür sich Voscherau entscheidet.

Wenn es das Erfolgsmodell Rot-Grün nicht geben kann, warum verhandeln Sie dann noch?

Wir verhandeln, weil es in der SPD eine Mehrheit für Rot-Grün gegeben hat. Und diese Mehrheit nehmen wir ernst. Wir zeigen mit den Verhandlungen, daß wir das auch wollen. Aber den Weg, wie diese Mehrheit sich in der SPD durchsetzt, den muß sie selbst finden. Die Chance dazu erhalten wir der SPD aufrecht.

In Frankfurt hat Daniel Cohn- Bendit befunden, daß Rot-Grün an seine Grenzen stößt, weil die Sozialdemokratie Rot-Grün nicht mehr aushält. Teilen Sie seine Meinung?

Nein. Die SPD hält ihre eigene Situation nicht mehr aus. Die Krise der Volksparteien trifft die SPD in Hamburg so hart, weil sie Regierungspartei ist. Sie kann es nicht aushalten, daß sie sich tendentiell mittelfristig eher auf eine 30-, denn auf eine 40-Prozent-Partei hin entwickelt. Das ist die gleiche Entwicklung wie auf der Bundesebene. Aber das ist für die machtverwöhnte SPD in Hamburg noch traumatischer als für die Bonner Genossen, die sich als Opposition ohnehin schon daran gewöhnt haben, daß sie zum Regieren Partner brauchen.

Vor der Wahl haben CDU, GAL und FDP einmütig gesagt, das Beste für Hamburg wäre, die SPD in die Oppositionsrolle zu schicken. Rechnerisch gibt es die Möglichkeit. Keine Lust, den Spieß umzudrehen und mit CDU und Statt Partei zu verhandeln?

Nicht mit dem Ziel einer Regierungsbildung, aber mit dem Ziel, wechselnde Mehrheiten dann auch für die Opposition nutzen zu können. In dem Moment wo Rot-Grün scheitert, haben wir ja in Hamburg eine Situation, in der die Sozialdemokraten mit einem Minderheitssenat regieren. Dann ist in der Tat die Frage, was man mit wechselnden Mehrheiten auch gegen die SPD machen könnte. Aber ich wage die Prognose, daß für den Fall eines Scheiterns der rot-grünen Verhandlungen Statt Partei und CDU dafür sorgen werden, daß die SPD bequem ihre Politik fortsetzen kann.

Perspektive für Hamburg also: die GAL gegen alle.

Ich fürchte, darauf läuft es hinaus. Interview: Uli Exner