piwik no script img

Haiti: CIA-Geheimbericht über Präsident Aristide

■ Aristide wird vorgeworfen, Morde an politischen Gegnern befürwortet zu haben / Im Senat wächst Kritik an US-Unterstützung für den haitianischen Präsidenten

Washington (taz) – „Mental labil“ und „antidemokratisch“ – so lauten zwei der Attribute, die der US-Geheimdienst CIA in einem geheimen Bericht dem haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide anheftet. Während Aristide am Mittwoch mit Mitgliedern des außenpolitischen Ausschusses im Senat zusammengetroffen war, hatte auf Betreiben des republikanischen Senators Jesse Helms ein CIA-Mitarbeiter etwa ein Dutzend andere Senatoren über die – laut Washington Post – „wenig schmeichelhafte“ Einschätzung Aristides durch den US-Geheimdienst unterrichtet.

Was bislang aus dem CIA-Bericht bekannt wurde, sind Vorwürfe, die bereits vor zwei Jahren gegen Aristide erhoben wurden. Er habe angeblich im September 1991 in einer Rede Morde an politischen Gegnern durch die „Halskrause“ befürwortet, bei dem dem Opfer ein benzingetränkter Autoreifen um den Hals gelegt und angezündet wird.

Aristide wies die Vorwürfe bei seinem Treffen mit den Senatoren zurück. Weder habe er Mordinstrumente wie die „Halskrause“ gebilligt, noch habe er, wie Helms behaupte, in seinem Amtszimmer ein Bild aufgehängt, das einen Autoreifen und ein Feuerzeug zeige.

Daß die Kritik an Aristide gerade jetzt wieder aufgewärmt wird, hat ganz offensichtlich taktische Gründe. Helms war am Donnerstag im Senat mit einem Antrag gescheitert, der US-Präsident Clinton verpflichtet hätte, keine US- Truppen nach Haiti ohne Zustimmung des Kongresses zu schicken. Statt dessen nahm der Senat mehrheitlich einen unverbindlichen Kompromißantrag der beiden Fraktionsführer Mitchell und Dole an, wonach Clinton gebeten wird, eine solche Zustimmung einzuholen. Doch mit der Verbreitung des CIA-Reports wird die öffentliche und parlamentarische Unterstützung für das Engagement der Clinton-Administration in Haiti weiter angekratzt, zumal Aristide bei vielen konservativen Kongreßmitgliedern wegen seiner einst antiamerikanischen Rhetorik umstritten ist. Sprecher der Clinton-Regierung zeigten sich vom CIA-Bericht vorerst ungerührt. „Nach unserer Erfahrung hat Präsident Aristide verantwortlich gehandelt.“ Ihm liege vor allem das Wohlergehen seines Landes am Herzen.

Daß Aristide tatsächlich wie vorgesehen am 30. Oktober nach Haiti zurückkehren kann, hält inzwischen auch der UNO-Vermittler Dante Caputo für unrealistisch. Die Rückkehr könne sich auf den 2. oder 4. November verschieben. Vor der Küste Haitis hat die „Blockadeflotte“ bereits mehrere Frachtschiffe, zum Teil mit Embargowaren, zum Abdrehen gezwungen und überprüft. Andrea Böhm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen