Sanssouci
: Nachschlag

■ Claudio Monteverdis Marienvesper im Berliner Dom

„In Kapellen oder geeigneten Gemächern des Fürsten“ seien diese Stücke zu singen, ließ Claudio Monteverdi auf das Titelblatt seiner „Sanctissimae Virgini Missa“ stechen. Aus gutem Grund, und nicht nur, weil er sich mit seiner Komposition Papst Paul V. empfehlen wollte in der Hoffnung, Kapellmeister in der Sixtinischen Kapelle zu werden. Die dreizehn Teile der Marienvesper, 1610 erstmals im Druck erschienen, ziehen die Bilanz ihrer Epoche, angefangen von der gregorianischen Monodie über die extreme Polyphonie des Spätmittelalters hin zur venezianischen Mehrchörigkeit, die Monteverdi noch unmittelbar geprägt hat. All das, und auch noch die Spielpraktiken höfischer und volkstümlicher Tanzmusik, soll noch einmal Gegenwart werden und sich messen lassen an der Moderne, die nun – mit Monteverdi als ihrem wichtigsten Vertreter – die Musik befreit aus ihren institutionellen Funktionen und ganz in den Dienst des individuellen, beinahe schon privaten Ausdrucks stellt.

Jede Aufführung dieses Hauptwerkes hat sich diesem Anspruch zu stellen. Wichtiger als der (heute schon selbstverständliche) Klang historischer Instrumente ist ein Bewußtsein der stilistischen Differenzen, der Zeitschichten, die Monteverdi subtil miteinander verknüpft. Das verlangt Konzentration auf beiden Seiten, auch bei den Zuhörenden. Intim im späteren, protestantisch-innigen Sinne ist die Marienvesper zwar gerade nicht, gläubige Andacht war dem Opern- und Liebesmadrigalkomponisten Monteverdi fremd. Aber sie verlangt einen Raum, der dem mitunter betörenden Wohllaut Grenzen setzt und die Form durchsichtig macht: die Kapelle eben oder das Gemach des Fürsten, den sich Monteverdi nie als Herrn, sondern als gebildeten Kenner und Partner wünschte.

Als Kenner haben sich Kristian Commichau und seine „norddeutschen vocal-concertisten“ mit ihrer Version des Werkes durchaus erwiesen, weniger allerdings das Instrumentalensemble, das sie für ihre Aufführung in Berlin angeheuert haben. Daß Zinken und Posaunen schon mal um fast einen halben Ton zu tief einsetzen, ist eigentlich nicht zu entschuldigen. Auch Laien können wissen, daß solche Instrumente in längeren Spielpausen warm gehalten werden müssen. Entschuldbar sind schon eher Intonationsprobleme der Solisten, und das um so mehr, als der vierzigköpfige Chor wirklich tadellos singt, nicht zu gefühlig, aber auch nicht zu akademisch – soweit im Berliner Dom irgend etwas davon zu hören war. Denn am Ort, nicht an der Kunst, ist Monteverdi mal wieder gescheitert. Für viel zuviel Geld ist die Bahnhofshalle neben Schinkels Museum renoviert worden, bleibt nun herauszufinden, wozu. Selbst reine Soloarien verschwimmen darin zur Schleimspur. Es klingt, als wolle jemand echte Perlen mit ein paar Tonnen Blattgold verkaufen. Dafür aber können Commichau und sein Chor nichts, weshalb man sich die Namen durchaus merken sollte. Niklaus Hablützel