„Eiserne Union“ wird teuer

■ Senat will dem bedrohten Fußballclub 1. FC Union helfen

SOS in Köpenick: Dem Fußballclub 1. FC Union steht das Wasser bis zum Hals. Schätzungsweise dreieinhalb Millionen Mark Schulden drücken den Amateur- Oberligisten aus der Wuhlheide, so daß ein Konkurs bis vor wenigen Tagen noch unausweichlich schien. Doch dann nahte Ritter Eberhard, der Regierende Bürgermeister, bekannt für sein Herz für Arme und Schwache. 500.000 Mark will Diepgen auf die schnelle lockermachen, um den Köpenicker Balltretern aus der Patsche zu helfen. Warum nur, fragt sich angesichts leerer Landeskassen sogar Manfred von Richthofen, Präsident des Landessportbundes Berlin und der CDU durchaus zugeneigt.

CDU-Mann Diepgen sieht im populären 1. FC Union wohl mehr als einen Traditionsverein, ja geradezu eine christdemokratische Verpflichtung. Das Stadion Alte Försterei, Heimstatt der Unioner, so wird bis heute an den bürgerlichen Lagerfeuern erzählt, sei zu DDR-Zeiten ein Sammelbecken für Systemgegner gewesen. Und weil Diepgen im Zweitberuf zudem noch Fan der „alten Dame“ Hertha BSC ist, die schon immer heftig mit „Eisern Union“ flirtete, hatte der regierende CDU-Mann gar keine andere Wahl: Die Staatsknete muß nach Köpenick.

Die Mär vom Systemgegner 1. FC Union hält sich bis heute hartnäckig in den Annalen der Sportgeschichte. Jedes Lokalderby gegen das Mielke-Team BFC Dynamo wurde zum innenpolitischen Machtkampf hochstilisiert. In Wahrheit fristete der Köpenicker Club das harte Leben eines ungeliebten Schmuddelkindes, das in der Sportförderung gegenüber seinen „wohlgeratenen Geschwistern“ von Staats wegen benachteiligt wurde. Nicht mehr und nicht weniger.

Weil die DDR-Sportführung anfangs mit „Dynamo“ (Volkspolizei) und „Vorwärts“ (Volksarmee) nur zwei Fußballvereine der „bewaffneten Organe“ an der Spree angesiedelt hatte, wollte sie sich später noch ein Feigenblatt zulegen. So wurde aus dem TSC Berlin in den sechziger Jahren die Sektion Fußball ausgegliedert und nach Köpenick verpflanzt. „Union“ hieß der zivil geleitete TSC-Sproß, in Anlehnung an Union Oberschöneweide, die in der Vorkriegszeit im deutschen Fußball eine gute Visitenkarte besaß.

Die neue Union hatte außer dem Namen allerdings nichts gemein mit der Elf aus Oberschöneweide. Diese war nämlich bereits Jahre zuvor fast geschlossen in den Westen geflüchtet. Die Moabiter „Union 06“, eine Amateurmannschaft aus der Berliner Landesliga, ist eher der legitime Nachfolger der legendären Mannschaft aus „Oberschweineöde“.

Und mit Hertha BSC hat die heutige Union aus Köpenick schon gleich gar nichts zu tun. Im Februar 1990, anläßlich der Jubelfeiern zum Mauerfall, trafen Hertha und Union im Olympiastadion zum ersten Mal aufeinander. Alles andere ist bloße Legendenbildung.

Ebenso die Behauptung, die Köpenicker Fußballwelt hätte sich der SED verweigert oder sich durch eine einzigartige Staatsferne ausgezeichnet. Immerhin gewann Union 1968 den FDGB-Pokal. Staatsfeinde wären sicherlich nicht einmal bis ins Finale vorgedrungen. „Zu beweisen ist das nicht“, schreiben Bernd Fischer und Rainer Nachtigall in ihrem Buch „Fußball in Berlin“, „aber eigentlich gibt es gar nicht so viele Zufälle, daß man daran zweifeln kann: Die Stasi installierte an der Alten Försterei ein trojanisches Pferd.“

Die Autoren berichten in diesem Zusammenhang von teilweise recht undurchsichtigen Figuren, die beim 1. FC Union ein- und ausgingen. Pedro Brombacher wiederum, der erst vor wenigen Tagen wegen des aktuellen Schuldenfalls als Union-Manager entlassen wurde, war sein halbes Leben lang „im Apparat“ beschäftigt: zunächst als hauptamtlicher FDJ- Funktionär, danach als Mitarbeiter der SED-Bezirksleitung, wo er für Großveranstaltungen verantwortlich zeichnete.

Aber vielleicht weiß der Union- Mann Diepgen das alles und spendierte dennoch eine halbe Million aus Steuergeldern? Eine pflichtgemäße Recherche nach den wirklich Verantwortlichen des Schuldenmeisters 1. FC Union würde diese „unbürokratische Hilfe“ nur stören... Jürgen Schulz