„Der Kosovo ist nicht teilbar“

■ Interview mit Ibrahim Rugova, dem Präsidenten der Republik Kosovo

taz: Herr Rugova, Sie wurden im letzten Jahr mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten der Republik Kosovo gewählt. An der Wahl haben sich damals weit über 80 Prozent der wahlberechtigten Bürger Kosovos beteiligt, obwohl der Wahlvorgang durch die serbischen Behörden behindert wurde. Hier in Ihrem Büro hängt ein Bild, auf dem Sie zusammen mit dem Papst zu sehen sind. Hat der Papst Sie als „Präsident der Republik Kosovo“ angesprochen?

Ibrahim Rugova: Das nicht gerade. Aber immerhin werde ich vom Papst wie auch von vielen Politikern der Welt empfangen, was eine gewisse Anerkennung für den Kosovo darstellt. Die Anerkennung des Präsidenten einer souveränen Republik Kosovo ist ein komplizierter Prozeß, der nur langsam vorangeht.

Wir stehen vor einer neuen Phase der Verhandlungen über die Konflikte in Ex-Jugoslawien. Es wird jetzt von einer neuen Gesamtkonferenz gesprochen.

Ich denke, die Forderung nach einer umfassenden Konferenz, die zuerst in der EG aufkam, ist eine interessante Idee, wenn alle relevanten Kräfte beteiligt würden. Wir waren bei der Den Haager Konferenz im Vorjahr nicht beteiligt, und auch bei der Londoner Konferenz saßen wir nur am Katzentisch. Bei zukünftigen globalen Verhandlungen dürfen wir aber nicht mehr fehlen. Herr Stoltenberg und Herr Kinkel gaben Hinweise in dieser Richtung.

Welche Forderungen würden Sie einbringen?

Unsere Forderung ist klar: Wir wollen einen unabhängigen und neutralen Kosovo, wie er schon in dem Referendum über die Unabhängigkeit 1991 von der überwältigenden Mehrheit der Bürger gefordert wurde. Es gibt eine rechtliche Grundlage für diese Forderung, schließlich war der Kosovo eine der acht Einheiten der Föderation im ehemaligen Jugoslawien. Der Kosovo hatte alle Rechte und Pflichten einer Republik innerhalb der Föderation. Zudem ist der Kosovo eine bedrohte Region und müßte nach der UN-Charta als solche behandelt werden.

Was meinen Sie denn mit „neutralem Kosovo“?

Politisch ist mit diesem Begriff gemeint, einen neutralen Staat zwischen Serbien und Albanien zu schaffen, der sowohl gegenüber Albanien wie auch Serbien offen ist, aber internationale Garantien erhält. Dies schließt ein, daß die serbischen Interessen in diesem Gebiet gewahrt bleiben und daß Serben, die hier leben, alle gewünschten Garantien ihrer Rechte erhalten.

Das ist wenig konkret.

Der Status des neutralen Kosovo ist in der Tat sehr schwierig zu beschreiben. Wir wollen die Interessen Serbiens mit berücksichtigen. Die beste Lösung wäre allerdings nach wie vor, alle Albaner könnten in einem Staat zusammenleben, auch die Albaner in Mazedonien müßten daran beteiligt werden. Die Albaner leben ja eigentlich in einem geteilten Land.

Was heißt für Sie serbische Interessen wahren? Heißt das, die serbische Armee und die Polizeikräfte, immerhin zusammen um die 60.000 Mann, könnten hier bleiben, die serbische Regierung könnte weiterhin die Ressourcen Kosovos für sich nutzen?

Ein neutraler Kosovo bedeutet zuallererst eine Demilitarisierung. Ökonomisch wird der serbischen Seite angeboten, in die sie interessierenden Sektoren der Ökonomie zu investieren, und es bedeutet den Schutz des zweifelsfrei in serbischem Besitz befindlichen Privateigentums. Außerdem wird es eine Garantie für den Schutz der historischen Monumente geben. Die Ausbeutung unseres Landes muß jedoch beendet werden. Heute arbeiten die Braunkohlekraftwerke im Kosovo für das durch Energieknappheit gebeutelte Serbien, ohne daß für unsere Ressourcen auch nur ein Dinar bezahlt wird. Und das geht natürlich nicht. Wir haben schon früher ganz Jugoslawien mit Elektrizität versorgt und müssen die ökologischen Konsequenzen allein auf uns nehmen.

Es gibt Stimmen in Serbien, die den Kosovoalbanern eine gewisse Autonomie und Minderheitenrechte zugestehen wollen, aber diese Leute fürchten, die Albaner würden sich damit nicht zufriedengeben.

Wir sind keine Minorität. Wir waren nach den Serben und den Kroaten das drittgrößte Volk im alten Jugoslawien. Die Autonomie, die wir im alten Jugoslawien hatten, basierte auf der jugoslawischen Föderation. Der Preis dafür war, im Rahmen der jugoslawischen Föderation in Serbien zu bleiben. Ohne die jugoslawische Föderation macht die Autonomie des Kosovo innerhalb Serbiens keinen Sinn. Mit allen serbischen Regimen haben wir die gleiche Erfahrung gemacht, es läuft auf die Unterdrückung der kosovoalbanischen Bevölkerung hinaus.

Dann lehnen Sie den Vorschlag, eine gleichberechtigte Konföderation mit Serbien, Montenegro und Kosovo zu bilden, ab?

Ja, manche Kräfte in Serbien, bei weitem nicht alle, und vor allem die nicht, auf die es ankommt, versuchen zur Zeit verschiedene Vorschläge zu machen. Das Resultat ist nur Verwirrung. Sie wollen uns unter Druck setzen, sie warten auf den Moment, in einem Blitzkrieg einen Teil des Kosovo für sich selbst zu erobern, sie wollen den Kosovo aufteilen.

Die Teilung Kosovos wurde kürzlich in den serbischen Zeitschriften Vreme und Borba diskutiert. Es gibt offenbar ernsthafte Erwägungen in dieser Richtung.

Die Aufteilung ist eine wirklich alte Idee, doch nach dem Ersten Weltkrieg brachten sie den ganzen Kosovo unter ihre Kontrolle. Jetzt soll diese alte Idee der neue Kompromiß sein. Es ist aber unmöglich, eine Million Albaner aus ihrer Heimat zu vertreiben. Nein, der Kosovo ist nicht teilbar. Interview: E. Rathfelder, Pristina