Sanssouci
: Nachschlag

■ Frauen im Exil - eine Tagung in der Literaturwerkstatt

„Ich rede und schreibe nicht gerne darüber.“ Aber weil die 83jährige doch viel zu erzählen hat, weil sie erlebt hat, was nicht vergessen werden darf, hat sich Sophie Marum „ein paar Anekdoten zurechtgelegt“. Bittere Anekdoten über rassische und politische Verfolgung, Flucht, über ihre Exilzeit in Paris und Mexiko erzählte sie während der Podiumsdiskussion über Frauen im Exil in der Literaturwerkstatt. Doch auch von einem freudigen Ereignis konnte Sophie Marum berichten. Nach fast fünfzig Jahren begegnete sie einer anderen Diskussionsteilnehmerin erstmals wieder: Lenka Reinerova, gebürtige Pragerin und Redakteurin der dortigen Deutschen Volkszeitung (und der Arbeiter Illustrierten Zeitung), war in den 40er Jahren ebenfalls über Paris nach Mexiko gekommen, wo sie für die tschechoslowakische Exilregierung arbeitete. Bis Reinerova endlich als „sehr willkommener Gast“ in Mexiko aufgenommen wurde, war die Jüdin allerdings als „Politische“ im Lager. Sechs Monate Einzelhaft in „La Petite Roquette“, danach im überfüllten Lager Rieucros.

Die Podiumsdiskussion als Auftakt zum vierten Symposium über Frauen im Exil war gleichzeitig der Versuch, zwei Generationen von Exilantinnen zusammenzubringen: solche, die in den 30er Jahren aus Deutschland, Wien und Prag vor den Nazis fliehen mußten, und zwei Exilantinnen aus Rumänien und dem Iran, die heute als Immigrantinnen in Deutschland leben. Es sollte und konnte kein „Schicksalsvergleich“ sein, eine Erfahrung jedoch verband die fünf Frauen: „Im Exil kann man viel lernen.“ Lenka Reinerova bezog ihr leise und lakonisch gesprochenes Fazit nicht nur auf die Sprachen. Jede der Frauen war irgendwann „Lohndrückerin“, jeder Job für sie zum Überleben wichtig.

Wie aber beschreiben Frauen ihr Exilleben, was schreiben sie über das, wofür Worte kaum ausreichen? Diese Frage stand am nächsten Morgen in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Mittelpunkt. Sie konnte kaum befriedigend beantwortet werden, da die Referentinnen jeweils nur wenige exemplarische Autorinnen bzw. Werke untersucht hatten. Sind die zentralen Romanfiguren der exilierten Autorinnen tatsächlich als „strategische Denkerinnen“ zu entschlüsseln, wie Siglinde Kaiser-Bolbecher (Wien) herausarbeitete? Sind sie mit Ariadne zu vergleichen, der Frau, die den Faden in der Hand hält? Wie kann heute von der Neuen Frauenbewegung beurteilt werden, welche Romanheldinnen in ihrer Zeit als traditionell oder fortschrittlich entworfen wurden? Ein weites Forschungsfeld. Zum Beispiel: Nur wenig ist bekannt über die Frauen hinter Hollywoods Kulissen, die Muse und die unentbehrliche „rechte Hand“ der Männergesellschaft; oder die Dramatikerinnen, die in New York versucht haben, Fuß zu fassen (bezeichnenderweise oft erst nach ihren Männern). Wenig tröstlich, daß Guy Stern (Detroit) als persönlicher Freund sehr lebendig an Lotte Lenya erinnerte. Es war eine Hommage an die geniale Brecht/Weill-Interpretin, doch ihre Persönlichkeit, ihr Leben im Exil kamen nicht zur Sprache. Schade. Petra Brändle