Dr. Feelgood vs. Bundeskrankheitsamt Von Mathias Bröckers

Zu den schwerstkranken Erscheinungen unserer Gesellschaft gehört das Gesundheitswesen. Nicht, weil seine obersten amtlichen Hüter bei der Überwachung von Blutkonserven geschlampt und dies vertuscht haben, und auch nicht, weil sie „Geschenke“ der Pharma- und der Asbestindustrie annahmen und dafür hochgiftige Produkte als unbedenklich absegneten – Schlamperei und Korruption kommen bekanntlich in den besten Familien vor.

Der Grund liegt in einem System, das nicht zur Förderung der Gesundheit, sondern zur Bekämpfung der Krankheit eingerichtet ist. Wir bezahlen niemanden, um uns gesund zu halten, sondern um unsere Krankheiten zu kurieren – das Gesundheitswesen ist ein Krankheitswesen. Im alten China mußten die Leute ihren Arzt so lange bezahlen, wie sie gesund waren – wurden sie krank, stand der Arzt in der Pflicht, sie von ihrem Leiden zu befreien, kostenlos. Unser heutiges System funktioniert genau andersherum und kann eben deshalb nicht funktionieren. Mit über 300 Milliarden Mark im Jahr (Tendenz: stark steigend) ist der medizinisch-industrielle Komplex der umsatzstärkste Dienstleistungsbetrieb im Lande – und dennoch eine permanente Pleite, worüber auch das neue „Kostenstrukturgesetz“ nicht hinwegtäuschen kann. Die paar Milliarden, die den Profiteuren des Krankheitswesens – den Versichungs- und Pharma- Konzernen und der Ärzteschaft – damit aus dem prallen Säckel gezogen werden, schieben das ganze Problem nur auf – was ansteht, ist eine Strukturreform „an Haupt und Gliedern“.

Was würde es bedeuten, wenn ich wegen starker Erkältung mit meinem „Gesundheitsschein“ zum Doktor ginge? Zuallererst, daß ich nicht zu irgendeinem, sondern zu „meinem“ Arzt gehen müßte, demjenigen, mit dem ich den Service-Vertrag über meine Gesundheit abgeschlossen habe. Meinem „Hausarzt“, im ganz intimen Wortsinne, wie er im anonymen Krankheitswesen zu den nahezu ausgestorbenen Arten zählt. Was würde mir dieser Arzt verschreiben? Da er die Kosten für die Therapie selbst tragen muß, liegen teure Maßnahmen ebensowenig in seinem Interesse wie unwirksame. Dennoch wird er auch vor einer kostenintensiven Behandlung nicht zurückschrecken, wenn sie sofort und langfristig zu greifen verspricht. Ein schnelles Wegdrücken der Krankheits-Symptome liegt nicht in seinem Sinn, um mich zum langfristig zahlenden Gesunden zu machen, geht es ihm grundsätzlich um die Beseitigung der Ursachen. Nicht die Behandlung, die Verhinderung der Krankheit lohnt sich für ihn, Prävention und Prophylaxe sind sein Profit.

Ein derart reformiertes System – mit Ärzten, die als Dr. Fühldichgut unseren Alltag begleiten, statt als High-Tech-Mediziner und Intensiv-Spezialisten nur im Notfall einzugreifen – setzt ein gewandeltes Verständnis von Gesundheit voraus. Es wäre „ganzheitlich“ – ein Wort, das den Lohnschreibern der Pillenindustrie bei der FAZ regelmäßig den Magen umdreht, und doch kommen wir schon aus ökonomischen Gründen um Beitragsfreiheit im Krankheitsfalle nicht herum. Erst wenn die Pharmakonzerne mit den Schlafmitteln und Blutkonserven, die sie nicht verkaufen, erste Profite machen, ist das Krankheitswesen auf dem Wege der Besserung...