Das Film-Bankett

■ Von West 3 angerichtet: Eine siebenteilige Reihe aus Fernost / Ang Lee serviert "Schiebende Hände"

Der Westen entdeckt den Fernen Osten, zumindest im Kino. Was jahrzehntelang in den Nachtprogrammen von Fernsehen und Kleinkinos versteckt war, erfährt nun die Aufmerksamkeit der europäischen und in Ansätzen sogar der amerikanischen Filmwelt. Es laufen große Retrospektiven der japanischen Großmeister wie Kurosawa und Mizoguchi, die Kritik entdeckt das Kunstvolle an den kommerziellen Samuraifilmen Japans und den Kung-Fu-Filmen Hongkongs, Juries der großen Festivals überhäufen neuere Produkte fernöstlichen Filmschaffens mit Preisen. In aller Munde sind seitdem Namen wie Zhang Yimou, Chen Kaige, Hou Hsiao-Hsien, Ang Lee [rein lingual wohl kaum möglich, d. s-in].

Als erster Sender bei uns reagierte der WDR. Auf den einschlägigen Festivals haben die Kölner eingekauft, was erschwinglich war. Einziges Auswahlkriterium war die Vielfalt der Herkunft, und so entstand eine interessante siebenteilige Reihe, die bis Anfang des nächsten Jahres gezeigt wird.

Als heutiger Auftakt ist um 23 Uhr der Spielfilm „Skinless Night“ von Rokuro Mochizuki in Originalfassung mit Untertiteln zu sehen. Der Titel ist eine japanische Kondommarke. Der Film eines ehemaligen Pornovideo-Regisseurs, der nun einen ernsthaften Film dreht: über einen Pornovideo-Regisseur, der einen ernsthaften Film drehen will. Moralische Probleme hat die Hauptfigur nicht, eher das Problem, den Job vor ihren Kindern geheimzuhalten.

Es herrscht Routine im Pornoalltag (wobei japanische Pornos hierzulande höchstens als Softsex durchgingen, gerade in Krisenzeiten aber ein Hauptkontingent der Filmindustrie darstellt).

Der Film zeigt scheinbar dokumentarische Momentaufnahmen aus dem Leben eines frustrierten Regisseurs. Man sieht ihn etwa gelangweilt beim Einkauf von Requisiten im Latexshop (Sado-Maso ist ein beliebtes Subgenre) – bis er den Kollegen einen ganz besonderen Super-8-Streifen vorführt: ganz ohne Sex, dafür mit einem Thema! Er stößt auf Unverständnis und flieht daraufhin in die Einsamkeit.

Die grausige Welt des chinesischen Feudalismus wurde schon in den nachrevolutionären Filmen immer gerne vorgeführt als Kontrast zur ruhmreichen Gegenwart. Seit der kurzzeitigen Liberalisierung ab 1982 wird der ungebrochene Einfluß der Traditionen auf das heutige Leben nicht mehr geleugnet.

„Fünf Mädchen und ein Strick“ von Yeh Hung-Wei ist eine der inzwischen zahlreichen Koproduktionen zwischen Taiwan, China und Hongkong und erzählt die chinesische Legende von fünf Mädchen, die lieber in den „Himmlischen Garten“ gehen, als im Diesseits verheiratet und als Dienerinnen mißbraucht zu werden.

Die Unbeweglichkeit der Traditionen und die Einöde des Schauplatzes, wo die Menschen nur sich selbst und ihren Ritualen ausgesetzt sind, finden ihre Entsprechung in statischen und formal ausbalancierten, bis auf die symbolträchtigen Kleider der Frauen nahezu farblosen Bildern. Die zeitliche Einordnung bleibt offen, die Brutalität, mit der Traditionen durchgesetzt werden, stets auf Kosten der Frauen, ist drastisch dargestellt.

„Schiebende Hände“ des Taiwaners Ang Lee handelt von einem pensionierten Tai-Chi-Lehrer, der nach New York zu Sohn und Schwiegertochter gezogen ist und letzterer auf den Keks geht mit seiner mangelnden Anpassung an amerikanische Lebensgewohnheiten. In der Folge bewahrt ihn aber gerade dies vor dem Untergang. Der Film wirkt wie eine Vorstudie für sein mit einem Goldenen Bären ausgezeichnetes „Hochzeitsbankett“, nur ohne Komödienstruktur; auch hier konfrontiert er die Vertreter der beiden Kulturen auf engstem Wohnraum miteinander und überzeugt mit seiner genauen Beobachtung.

Stanley Kwans „Vollmond in New York“ und An Huis „Lied der Verbannung“ behandeln dasselbe Thema. „Ah Ying“ ist eine taiwanesische Fantasy-Variante von Kurosawas „Rashomon“. Den Abschluß bildet der südkoreanische Film „Schwarze Republik“, der sich als einziger Film der Reihe mit den aktuellen politischen Zuständen in seinem Herkunftsland befaßt. Oliver Rahayel

November-Termine: 23.11. „Fünf Mädchen und ein Seil“ von Ye Hung-Wei (Taiwan/China/Hong Kong, 1992), 30.11. „Lied der Verbannung“ von An Hui (Hong Kong/Taiwan, 1990), jeweils um 23 Uhr