piwik no script img

■ Das PortraitJiři Hájek

Der Außenminister des Prager Frühlings war auch der Außenpolitiker der Charta 77: Als in den 80er Jahren Kritiker im In- und Ausland der Menschenrechtsbewegung ihre Nähe zu westeuropäischen Friedensgruppen und den Grünen vorwarfen, verteidigte der Charta-Mitbegründer diese Position entschieden. Ebenso wie Václav Havel lehnte Jiři Hájek das „bipolare Denken“ ab, thematisierte die „Folgen von Industrie- und Konsumgesellschaft“.

Anders als Havel zählte Hájek jedoch zu den wenigen Chartisten, die auch nach der „samtenen Revolution“ von 1989 eine Weiterentwicklung des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ für möglich hielten. Gemeinsam mit anderen Reformkommunisten hatte er wenige Monate zuvor die Gruppe „Obroda“ – Wiedergeburt – gegründet. In einem „Aufruf an die europäische Linke“ forderte diese Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten zu einer „Überwindung der Spaltung der Arbeiterbewegung“ auf. Von der KPČ scharf verurteilt, verstand sie sich als Lobby für Gorbatschows Perestroika.

Da ein „dritter Weg“ in der Tschechoslowakei nach 1989 jedoch nie eine Chance hatte, übernahm Hájek kein politisches Amt. Statt dessen widmete er sich der Arbeit im tschechischen Helsinki-Komitee.

Der Außenminister des Prager Frühlings starb im Alter von 80 Jahren. Foto: H. J. Darchinger

Die „bipolare Weltsicht“ hatte Hájek jedoch nicht immer abgelehnt. 1913 geboren, wurde der promovierte Jurist bereits 1948 – im Jahr der kommunistischen Machtübernahme – Mitglied im Zentralkomitee der KPČ und verteidigte die stalinistischen Prozesse: Da die UdSSR im kalten Krieg die schwächere Seite darstelle, seien diese „negativen Momente“ eine „traurige Notwendigkeit“. Als „linker Sozialdemokrat“ hoffte er jedoch auf eine Möglichkeit zur Reform des Systems: „Das haben wir dann im Prager Frühling gemacht.“

Als die sowjetischen Panzer diesen Frühling am 21. August 1968 beendeten, befand sich der Außenminister in Belgrad. Doch schon am 24. August forderte er vor dem UN-Sicherheitsrat in einer eindringlichen Rede den sofortigen Rückzug aller „fremden Truppen, auch wenn sie von befreundeten Nationen kommen“. An ein Verbleiben in seinem Amt war danach nicht mehr zu denken. Sabine Herre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen