Israel läßt 700 Palästinenser frei

Übereinkunft mit der PLO bei Gesprächen in Taba / Nach dem Mord an zwei israelischen Soldaten blieben 50 Gefangene im Knast, da sie islamistischen Gruppen angehören  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die israelischen Behörden haben gestern rund 700 palästinensische Gefangene von etwa 13.000 freigelassen. Bei der Ankunft bei ihren Familien in der Westbank und dem Gaza-Streifen wurden den Heimkehrern begeisterte Empfänge bereitet.

Doch unter der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten herrscht auch große Enttäuschung über die Verzögerung bei der selektiven Freilassung von Gefangenen. Viele sind der Meinung, daß nach den Abkommen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) vom 13. September alle Gefangenen umgehend freigelassen werden müßten. Statt dessen benutze Israel sie als „Geiseln“ und Druckmittel für die weiteren Verhandlungen über die praktische Durchführung des Gaza-Jericho-Abkommens. Diesbezüglich kritisieren Palästinenser auch die PLO-Delegation, die sich auf derlei „Geschäfte“ mit ihren israelischen Partnern eingelassen habe.

Wie mit den PLO-Vertretern bei den Verhandlungen in Taba am vergangenen Donnerstag verabredet worden war, handelt es sich bei dieser ersten Gruppe freigelassener Gefangener ausschließlich um Minderjährige, Männer über 50, Frauen und Kranke, die keiner größeren Verbrechen schuldig befunden oder gar nicht erst vor Gericht gestellt wurden.

Nach Angaben aus israelischen Regierungskreisen wurden gestern 50 Palästinenser, die ebenfalls auf der Entlassungsliste standen, nicht auf freien Fuß gesetzt, weil sie unter Verdacht stehen, den radikalen islamistischen Gruppen Hamas und Jihad anzugehören. Die Entscheidung gegen ihre Entlassung soll nach dem Mord an zwei israelischen Soldaten am vergangenen Samstag im Gaza-Streifen gefallen sein. Diese Tat löste eine große Empörung in der israelischen Öffentlichkeit aus und veranlaßte die rechten Oppositionsparteien dazu, den gesamten Friedensprozeß anzugreifen und zu fordern, daß überhaupt keine Palästinenser aus israelischer Haft entlassen werden – weil „alle Palästinenser Terroristen sind“.

In einem Flugblatt hat sich der „Azz ad-Din al-Kassam“ benannte bewaffnete Flügel der Islamisten in den besetzten Gebieten zu der Mordtat bekannt. Die beiden israelischen Soldaten, ein Hauptmann und ein Unteroffizier der Reserve, wurden entführt und erschossen. In dem Flugblatt heißt es, daß es sich um einen Racheakt für die Erschießung einiger Mitglieder ihrer Gruppe durch israelische Truppen in der letzten Zeit handele.

Ministerpräsident Jitzhak Rabin und andere Regierungsvertreter betonen, daß der Kampf gegen all diejenigen palästinensischen Organisationen, die das Abkommen mit Israel ablehnen und Anschläge verüben, um den Frieden zu torpedieren, mit aller Kraft weitergeführt werden muß. Gleichzeitig dürfe der Friedensprozeß selbst nicht das Opfer solcher Attentate werden, insbesondere weil die Terroristen genau dies zu erreichen suchten.

Auch Rechtsanwalt Ziad Abu Ziyad, ein Mitglied der palästinensischen Delegation in Taba, erklärte, daß niemandem gestattet werden dürfe, den Friedensprozeß zu stören. Gleichzeitig lehnte er die israelische Forderung ab, daß PLO-Vertreter den Mord an den beiden Soldaten ausdrücklich und öffentlich verurteilen sollen. „Wir haben Terrorismus wiederholt verurteilt und finden es beleidigend, daß man von uns bei jeder Gelegenheit verlangt, daß wir für Mordtaten anderer um Entschuldigung bitten. Die Israelis müssen verstehen, daß wir jetzt Partner sind und daß es darum geht, auf beiden Seiten alles zu tun, damit der Konflikt wirklich beigelegt wird.“