Abschiebung in den Sudan geplant

Der Bundesgrenzschutz plant für heute Abschiebung einer somalischen Flüchtlingsfamilie in den Sudan, das angeblich sichere Drittland / Anwältin: Situation ist „lebensbedrohend“  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Die Abschiebung einer somalischen Flüchtlingsfamilie in den Sudan soll in letzter Minute verhindert werden. Mit einem Abänderungsantrag an das Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main will Rechtsanwältin Ursula Schlung-Muntau erreichen, daß die vom Bundesgrenzschutz für heute avisierte Abschiebung verschoben wird. Ihr Antrag richtet sich gegen den Ablehnungsbescheid, den die „Entscheider“ im soganannten Flughafenverfahren mit dem Verweis auf das „sichere Drittland Sudan“ ausgestellten hatten.

Die engagierte Anwältin, die sich in den letzten Tagen ausschließlich mit Recherchen über die aktuellen Zustände im Sudan beschäftigt hat, weist in ihrem Antrag an das Verwaltungsgericht darauf hin, daß es sowohl den „Entscheidern“ als auch den Verwaltungsrichtern im Rahmen der neuen Asylgesetzgebung und der dort festgelegten Fristen „unmöglich“ gewesen sei, die Verhältnisse im Sudan einer ausführlichen Prüfung zu unterziehen. So stieß Schlung-Muntau bei ihren Recherchen etwa auf einen Vermerk des Auswärtigen Amtes (AA), in dem die Zustände im Sudan – auch unter Berücksichtigung der anderen Lebensbedingungen in einem afrikanischen Land – als „lebensbedrohend“ bezeichnet wurden. Die Existenzgrundlagen für Einheimische und Flüchtlinge seien im Sudan „nicht gewährleistet“.

Nach Informationen der Anwältin sollen rund 800.000 Flüchtlinge aus der Hauptstadt Kartum in Lager in der Wüste „verschoben“ worden sein, ohne ausreichende Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln.

Schlung-Muntau hofft jetzt, daß sich die Verwaltungsrichter im zweiten Anlauf tatsächlich und intensiv mit dem Sudan beschäftigen und dafür zumindest eine Verschiebung der Abschiebung durch den BGS verfügen. Hilfsweise hat die Anwältin auch einen Eilantrag gegen den Versuch des BGS eingereicht, den Begriff „exterritoriales Gebiet“ neu zu definieren. Der Fall der Somalierin Khadijam Awale hatte bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt, weil sie sich nach Auffassung des BGS auch während ihres Aufenthaltes in der Frankfurter Universitätsklinik auf exterritorialem Gelände und damit weiter im sogenannten Flughafenverfahren befunden habe – weil ein BGS-Beamter neben ihrem Krankenbett stand.

Frau Awale, die in der Klinik ihr Kind verlor und deren erstes Kind in Somalia starb, ist nach der Interpretation des BGS „nicht in die BRD eingereist“, obgleich nur ein Gebäudekomplex auf dem Flughafen zum exterritorialen Gelände erklärt wurde.

Allerdings glaubt die Anwältin, daß auch die de-facto-Einreise ihrer Mandantin – bei entsprechender Interpretation – keinen Schutz vor der drohenden Abschiebung biete. Zwar könne Frau Awale dann getrennt von ihrem Mann Aufnahme in der Erstaufnahmestelle in Schwalbach finden. Doch vor der Abschiebung rette der Lageraufenthalt nicht, „selbst wenn die hessische Landesregierung aus humanitären Gründen ein Bleiberecht aussprechen würde“. Alexander Müller, Staatssekretär im Sozialministerium und Mitglied der Grünen, richtete gestern einen dringenden Appell an den Bundesinnenminister, aus „humanitären Gründen“ auf die geplante Abschiebung zu verzichten.