Rot-Grün: Vor dem GAU

■ Heute verhandeln SPD und GAL über die Hamburger Energiepolitik   Von Marco Carini

Im Prinzip sind sie sich einig. Hamburgs Sozialdemokraten und Hamburgs Grüne wollen aus der Kernkraft aussteigen, wollen statt Atom mehr Fernwärme, mehr Blockheizkraft, mehr Energie sparen, mehr regenerative Stromerzeugung. Doch die Wege zum Ausstieg könnten unterschiedlicher nicht sein. Den Koalitionsgesprächen droht deshalb schon heute der Verhandlungs-GAU: Ausstieg möglich.

Knackpunkt 1: Die GAL fordert, daß die Stadt die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) übernimmt, um deren Geschäftspolitik allein bestimmen zu können. Für rund 500 Millionen Mark sollen die Aktien aufgekauft werden, die noch nicht im Besitz der Stadt sind. Danach soll das Unternehmen mit der Abwicklung des Atom-Ausstiegs beauftragt werden. Die SPD aber ist strikt dagegen. Bürgermeister Voscherau in seinem „Eckwerte“-Papier: „Die Umwandlung der HEW-AG in Stadtwerke bei Abfindung der freien Aktionäre wäre wirtschaftlich und finanziell unvertretbar“.

Knackpunkt 2: HEW-Großkunden wie die Hamburger Aluminiumwerke, die allein fast genauso viel Strom verbrauchen wie alle hanseatischen Privathaushalte zusammen, sollen keine Energie mehr zu Dumping-Preisen weit unter den Stromerzeugungskosten bekommen. Das Ziel: Der Kostendruck soll die Unternehmen zur energiesparenden Produktion motivieren. Die SPD aber blockt ab: Industriestandort Hamburg in Gefahr! Möglicher Kompromiß: Die Strompreise für Industrieunternehmen steigen, die Mehrbelastungen der Unternehmen werden durch Wirtschaftssubventionen aufgefangen.

Knackpunkt 3: Die SPD will frühestens in zehn Jahren das erste AKW dichtmachen, wenn Hamburg Wasserkraft-Strom aus Norwegen bezieht. Die GAL fordert hingegen daß Brunsbüttel und Krümmel, derzeit wegen Rohrrissen abgeschaltet, nicht wieder ans Netz gehen, da sich eine teure Sicherheits-Nachrüstung nicht rechnet und die Atommüll-Entsorgung ungeklärt ist.

Knackpunkt 4: Die GAL fordert Hamburgs Ausstieg aus der Plutonium-Wirtschaft. Die HEW sollen ihre Verträge mit den Wiederaufarbeitungsanlagen im französischen La Hague und im britischen Sellafield kündigen, da beide Anlagen die im Deutschen Atomgesetz vorgeschriebene „schadlose Verwertung“ des Atommülls nicht erfüllen. Ein von Umweltsenator Vahrenholt geplanter Einsatz der in beiden Anlagen entstehenden plutoniumhaltigen Mischoxid-(Mox)-Brennelemente in Krümmel und Brunsbüttel ist „mit uns nicht verhandelbar“, so der GAL-Energiereferent Dirk Seifert.

Der größte Einklang zwischen Rot und Grün besteht beim Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung in dezentralen Gas- und Blockheizkraftwerken. Der Senat will jährlich 12.000 Wohneinheiten an das Nah- und Fernwärmenetz anschließen, die GAL 30.000. Beide Parteien wollen Stromsparprogramme sowie regenerative Energien finanziell fördern, wenn auch in unterschiedlicher Größenordnung. Genug Gemeinsamkeiten für einen rot-grünen Energiekonsens?