„Es ist schon eine Flucht nach vorne“

■ Bremer Bürgerhäuser entlassen sich in die Selbständigkeit/ Gutachten: Verband arbeitet uneffektiv

Der Verband Bremer Bürgerhäuser (VBB) gibt die sieben Bürgerhäuser der Stadt zurück an ihre eigenen Trägervereine und entläßt sie damit in die Selbständigkeit. Diesen Beschluß faßten Montag abend die VBB- Delegierten. Damit ist der VBB als Dachverband für die Bürgerhäuser überflüssig geworden und wird sich nach über 15 Jahren Tätigkeit auflösen.

Grundlage für diesen Entschluß ist der erste Entwurf des „Culturplan“-Gutachtens, das die Effektivität des VBB zu klären hatte. Ein heftiger Streit zwischen Kultursenatorin Helga Trüpel und den Bürgerhäusern hatte sich an den Haushaltskürzungen dieses Jahres entzündet — das Gutachten, das sich die Kulturbehörde 30.000 Mark kosten ließ, sollte schlichten. „Culturplan“, eine betriebswirtschaftliche Beratungsfirma aus Crefeld, besuchte in den letzten Wochen alle Bremer Bürgerhäuser, prüfte interne Arbeitsweisen, Struktur und Organisation und stellte Schwachstellenanalysen auf. Mit dem Ergebnis: Der Dachverband arbeite unwirtschaftlich, die Bürgerhäuser selbst bräuchten mehr Anbindung an ihren Stadtteil. „Reor

Demnächst auch in Ihrem Bürgerhaus: Cafe, Kneipe, Garten etcpp.Foto: Tristan Vankann

ganisation“ ist nun gefragt.

Die Bürgerhäuser starten also in eine neue Ära. In den Augen des VBB-Vorsitzenden Oliver Schulz ist das sicher nicht nur Genugtuung für die Kulturbehörde, sondern im Grunde eine logische Entwicklung: „Die Häuser sind im Lauf der Jahrzehnte auseinandergedriftet.“ Einige haben sich mehr am Privatwirtschaftlichen orientiert, wie etwa das Bürgerhaus Weserterrassen mit der Gründung einer GmbH. Andere kooperieren mehr mit den Wohlfahrtsverbänden. Das Gemeinschafts

hierhin bitte die Hausfassade

zentrum Obervieland ist hierfür Paradebeispiel. Oliver Schulz: „Dies alles entzieht sich dem Einfluß des Verbandes. Eine gemeinschaftliche Grundidee kann nicht länger durch uns vertreten werden.“ Die zukünftige Orientierung liege nun in Händen der Häuser selbst.

Für Ralf Jonas, den Leiter des Bürgerhauses Oslebshausen, heißt das: „Wir wollen in Richtung Selbstverwaltung gehen.“ Seit zwei Jahren versucht er bereits, die Aktiven verantwortlich ans Haus zu binden und will ihnen jetzt mehr Mitbestimmungs

recht über Ausschüsse oder Arbeitsgruppen geben. „Es ist ja wirklich so, daß diese Leute uns das Haus auch füllen, also machen wir uns als Einrichtung eben transparenter.“ Ralf Jonas will so schnell wie möglich raus aus der unbefriedigenden Situation und möglichst schon zum 1.1.94 selbständig sein.

„Wir sind so weit, daß nächste Woche Satzungs- und Vertragsänderungen und neue Stellenbeschreibungen gemacht werden können. Das ist natürlich nur realisierbar, wenn wir für die Übergangszeit zusätzliche Mittel bekommen“, so Jonas weiter. „Das ist ja wie eine Betriebsgründung. Wir brauchen einen Steuerberater. Wir brauchen außerdem buchhalterische Fortbildung. Und wir brauchen unsere dritte Pädagogenstelle wieder.“ Die wurde in diesem Jahr nicht wieder neu besetzt.

Es bleibt personell wie finanziell eng. Auch wenn Helga Trüpel die Bürgerhäuser aufruft, sich um andere Geldgeber umzusehen. Und auch wenn bereits einige Bürgerhausangebote vom Senator für Soziales finanziert werden — die Bürgerhäuser sind Einrichtungen des Kultursenators,der Hauptförderer ist. Das Kulturressort rechnet zwar damit, daß das Geld für die VBB-Geschäftsstelle, das nun frei wird (400.000 Mark an Personalkosten), auf die Häuser umgelegt werden kann. Das wird jedoch nicht von heute auf morgen geschehen können, da die dort beschäftigten fünf Mitarbeiterinnen nicht sang- und klanglos entlassen werden können. „Und ob dann noch Geld für offengebliebene Stellen übrig ist, wage ich zu bezweifeln“, so der Bürgerhaus-Sachbearbeiter Wolfgang Lindemeyer. Noch ist der beantragte Bürgerhaus-Haushalt für '94 mit einem Sperrvermerk-Sternchen versehen. Die Bürgerhaus-Delegierten wollen die Bürgerschafts-Abgeordneten aller Parteien nun aufrufen, ihre Haushaltstelle von Kürzungsrunden auszuschließen. Silvia Plahl