Abgrundtief häßliche Rotzbengel Von Andrea Böhm

Ab und an möchte die geneigte Leserschaft vielleicht wissen, was die kollektive amerikanische Seele zur Zeit am meisten beschäftigt. Einblicke in dieselbe lassen sich meist nur sporadisch erhaschen und geben somit keine empirische Garantie für die Richtigkeit der Schlußfolgerungen ab. Trotzdem läßt sich mit vertretbarem Risiko sagen: Nicht Bosnien oder Haiti, nicht Bill und Hillary, sondern der Streit um Beavis & Butt-Head bewegen zur Zeit die Gemüter.

Beavis & Butt-Head ist der neueste Einschaltenquoten-Hit des Music-Video-Kanals MTV – zwei ewig pubertierende, abgrundtief häßliche Rotzbengel mit jener Vorliebe für Sadismus und Obszönitäten, der, zumindest nach der Vorstellung der Erwachsenen, die Kinder der neunziger von denen der sechziger und siebziger Jahre unterscheidet. Sie furzen, foltern Frösche und Katzen, schnüffeln Farbverdünner, legen Feuer und machen all jene frauenfeindlichen Bemerkungen, die ihr Erfinder, ein 30jähriger Ingenieur namens Mike Judge, sich selbst nicht zu machen traut. Ihre akustische Bandbreite rangiert zwischen Grunzen und einem hämisch geröchelten „he, he, he“. Der Wortschatz bewegt sich in den Grenzen eines kontinuierlich schrumpfenden Vulgärenglisch, das in erster Linie auf Redewendungen wie „It sucks“ oder „That's cool“ basiert. Auf Ausdrücke wie „Fuck“ oder „fucking“, im alltäglichen Umgang omnipräsent, muß aus zensurtechnischen Gründen verzichtet werden.

Beavis & Butt-Head ist der obercoole, affengeile Comic-Strip, mutig und zukunftsweisend. Sagen die einen. Beavis & Butt-Head, sagen die anderen, ist der neueste Frontalangriff auf die Intelligenz der Fernsehkonsumenten, die demnächst in manchen Fällen unter die Nachweisgrenze rutschen könnte. Außerdem verderbe die Sendung die Jugend.

Dieser Streit ist insofern absurd, als Blödmann & Arschgesicht – wie sie in der deutschen Synchronisationsfassung heißen müßten – keine Überspitzung der Realität sind, sondern weit hinter sie zurückfallen. Katzen quälen, dreckige Bemerkungen über Frauen machen und Klebstoff sniffen sind kindlich unschuldige Verhaltensweisen in Zeiten, in denen 13jährige in Miami wegen Mordes an Touristen vor Gericht stehen und 16jährige sich an einer kalifornischen High- School gegenseitig für Vergewaltigungen ihrer Mitschülerinnen auszeichnen.

Die Aufregung und damit das Erfolgsgeheimnis der beiden Kotzbrocken rührt vielmehr daher, daß ihnen nichts heilig ist – nicht einmal die Wahrung eines Anscheins von Bildung, politischem Anstand oder persönlicher Ambitionen. Das ist Balsam auf die Seelen all jener suburbanen Mittelstandskids zwischen fünfzehn und dreißig, die sich um die heilige Zweieinigkeit von Konto und Karriere betrogen fühlen. Niveau ist sucks, Ignoranz ist cool – nach dem Motto: „Dies ist ein freies Land. Jetzt bin ich stumpfsinnig. Jetzt darf ich's sein.“

Kaum jemand ist übrigens vom Erfolg der Sendung mehr überrascht als Mister Judge. Beavis & Butt-Head waren gar nicht für den Massenkonsum vorgesehen, sondern für ein kleines Cartoon-Festival mit dem Titel „Sick and Twisted“, zu deutsch etwa: krank und abartig. Aber so ist das heutzutage. Gestern noch sick, heute schon mainstream.