"Emma" macht's auch nicht besser

■ Nicht nur diese "Zeitschrift für Menschen" ist ein Fall für die Medienbeobachter von "Mediawatch"

Emma ist nicht gerade als ein rechts-chauvinistisches Kampfblatt bekannt. Deswegen dürfte sich wohl manche LeserIn über die Juli-Ausgabe der Frauenzeitschrift gewundert haben. Auf dem Titelbild war eine dunkelhäutige Frau zu sehen, deren Bild mit der rot unterlegten Schlagzeile versehen war: „Eine Türkin: Ich bin ein Mensch wie ihr.“ Daß Türkinnen genauso Menschen sind wie die Emma-Leserinnen, haben diese – so möchte man hoffen – wohl nicht bezweifelt.

Daß der fragwürdige Titel kein Ausrutscher war, unterstrich ein Dossier zum Fundamentalismus in derselben Ausgabe. Die Hamburger Orientalistin Karin Hörner kam in einem Gutachten zu dem Schluß, daß Emma hier gezielt Panikmache gegen Muslime betreibe. Die Artikel würden Feindbilder aufbauen, muslimische Männer per se als chauvinistische Frauenfeinde diffamieren, der Islam würde mit fanatischem Fundamentalismus gleichgesetzt, der im Begriff sei, Europa zu überrollen.

Besonders erstaunt war Arzu Toker. Die Kölner Journalistin hatte für die Emma-Ausgabe einen Appell an deutsche Frauen geschrieben, in dem sie dazu aufrief, Toleranz gegenüber einem anderen Glauben nicht mit der Zustimmung zur religiös verbrämten Unterdrückung in vielen islamischen Ländern zu verwechseln. Außerdem hatte sie sich für das Emma- Titelbild fotografieren lassen. Nun stand neben ihrem Bild, sie sei ein Mensch wie andere auch.

Und damit nicht genug: Aus internationalistischer Überzeugung hatte sie die Emma-Redaktion darum gebeten, ihre Herkunft nicht zu erwähnen. Dennoch stand im Blatt: „Arzu Toker ist Kurdin (mit armenischer Großmutter).“ Ein Fall für Mediawatch.

Mediawatch ist eine Kölner Journalistengruppe, die seit einem Jahr versucht, auf offen rassistische, aber vor allem auf die viel häufigere subtil diskriminierende Berichterstattung über AusländerInnen in Deutschland wie über die „Dritte Welt“ hinzuweisen. Die Gruppe wird seit März diesen Jahres von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung finanziert. Ihr Ziel ist die kritische Beobachtung der Berichterstattung über „Entwicklungsländer“ sowie eine konstruktive Einflußnahme auf Vorstellungen vieler JournalistInnen, die häufig ein Zerrbild des Südens zeichnen.

Da Mediawatch mit nur einem festangestellten Mitarbeiter auskommen muß, hat man sich bis jetzt an eine „Strategie der Moskito-Stiche“ gehalten. Zwar zählt Mediawatch mittlerweile etwa 200 Mitglieder und Interessenten, doch eine systematische Medienbeobachtung kann so nicht geleistet werden. Bei der ersten Jahresversammlung von Mediawatch in der letzten Woche wurden die Aktivitäten vorgestellt. Der Tag war mit Bedacht gewählt: Am Vormittag hatte Richard von Weizsäcker die Journalistenpreise des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verliehen. Bezeichnend: Alle vier Preisträger des BMZ sind Deutsche. Immer wieder wurde auf der Mediawatch- Versammlung von ausländischen Journalisten beklagt, daß deutsche Korrespondenten über Länder, deren Sprache sie nicht beherrschen, nur aus ihrer eigenen Perspektive berichten: Kaum einer ließe sich von einheimischen Journalisten beraten.

Mahdu Trehan, die für die Fernsehanstalt Newstrack aus Neu- Delhi arbeitet, und der Dortmunder Journalist Ashwin Rama zeigten „Der indische Traum – das indische Trauma“, eine Reportage, die Hermann Feldhoff für den WDR über die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen indischen Hindus und Muslimen gedreht hat. „In Indien rächt sich immer irgend jemand an irgendwem für irgend was“, zitierte Feldhoff einen namenlosen „Indienkenner“, und so präzise war auch seine eigene Darstellung. Laut Ashwin Rama waren Interviews sinnentstellend übersetzt worden, historische Daten stimmten nicht, wichtige politische Zusammenhänge wurden fehlerhaft erläutert.

Waren die Mängel dieses Films noch durch Schlamperei zu erklären, könnte man Antonia Rados' Film „Die geheimen Brigaden“ fast propagandistische Absichten unterstellen. Der WDR-Dokumentarfilm, der beweisen sollte, daß im jugoslawischen Bürgerkrieg die bosnischen Muslime von islamischen Fundamentalisten aus dem Nahen Osten unterstützt werden, schwang das im deutschen Fernsehen gern eingesetzte „Schwert des Experten“: Zwar waren die arabischen „geheimen Brigaden“ so geheim, daß sie im Film nicht zu sehen waren, aber dafür „bewies“ die Autorin mit Amateur-Videoaufnahmen, daß angeblich fundamentalistische „Gotteskämpfer“ und „Soldaten Allahs“ (Kommentar-O-Ton) aus Libyen oder dem Iran mit saudiarabischem Geld in Jugoslawien für Angst und Schrecken sorgen: die wohlbekannten Klischees vom muslimischen Fundamentalismus als Kriegsreligion. So urteilte auch eine Reihe von deutschen und ausländischen Journalisten und Orientalisten, die für Mediawatch Gutachten geschrieben hatten, über den Film. Auf eine Programmbeschwerde der Organisation hat der Rundfunkrat des WDR bisher nicht reagiert.

Dabei geht es Mediawatch gar nicht nur darum, einzelne Journalisten und Korrespondenten auf ihre politische Korrektheit zu überprüfen. Es soll vielmehr untersucht werden, wie es zu solchen diffamierenden Beiträgen kommen kann. Mit den Autoren der beiden inkriminierten Filme hatten sich Mediawatch-Mitglieder bereits getroffen.

Und Emma? Eine Einladung von Mediawatch zu einem Gespräch über das „Fundamentalismus-Dossier“ wurde bisher von der Redaktion verschoben – aus „Termingründen“. Tilman Baumgärtel