Schröder scheitert in der eigenen Partei

Energiekonsens: SPD-Präsidium lehnt Verhandlungspaket des niedersächsischen Ministerpräsidenten ab / Die Energieversorger ziehen ihre Kompromißangebote zurück  ■ Von Tissy Bruns und Walter Jakobs

Bonn/Düsseldorf (taz) – Bauchlandung für Gerhard Schröder: Das SPD-Präsidium mochte sich den Vorstellungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten für einen möglichen Energiekonsens mit der Bundesregierung nicht anschließen. Die in Schröders Bericht enthaltene Option für neue Atomreaktoren wurde von der SPD-Spitze am Montag abend nach mehrstündiger Diskussion verworfen.

Als Abbruch der Energiekonsens-Gespräche will SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen den Beschluß nicht verstehen. In Bonn wird jedoch angenommen, daß die Gesprächsrunde, die heute abend wieder zusammenkommt, in eine Sackgasse geraten ist. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Jürgen Rütters, wertete die SPD- Position als „Anschlag auf den Standort Deutschland“.

Der Präsidiumsbeschluß definiert Energieeinsparung, Sicherung der heimischen Kohle, Ausstieg aus der Atomenergie als wichtigste Ziele sozialdemokratischer Energiepolitik. Ohne eine verläßliche Sicherung der heimischen Steinkohle und ohne eine Energiepolitik „jenseits der Atomkraftnutzung ist die SPD beim Thema Kernenergie und Entsorgung nicht gesprächsbereit“. Den „erpresserischen Versuch der Bundesregierung“, die Anschlußfinanzierung für die Kohle an eine dauerhafte Nutzung der Atomenergie zu koppeln, weist das Papier zurück.

Mehrfach betonte Verheugen, daß „die nicht von heute auf morgen zustandegekommene Position der SPD, der Ausstieg,“ nicht verändert worden sei. Es sei „nicht darstellbar“, den Ausstieg aus der Kernenergie mit einem Wiedereinstieg zu verbinden. Verheugen: „Wir lehnen die Überlegung ab, eine neue Reaktorlinie zu entwickeln.“ Der Bundesgeschäftsführer mühte sich aber auch, die Niederlage Schröders zu verkleinern. Schröder habe selbst erklärt, es handle sich um einen Punkt minderer Bedeutung. Vor der Präsidiumssitzung hatte Schröder gesagt, er rechne nicht damit, daß ein neuer Reaktortyp tatsächlich in der Bundesrepublik gebaut werde. Ein Kompromiß mit dem Regierungslager sei allerdings sehr unwahrscheinlich, wenn das Präsidium seinen Vorschlägen nicht zustimme. Den Schwarzen Peter für das mögliche Scheitern der Gespräche wies Verheugen ausdrücklich zurück. Es sei nicht die SPD, die einen Konsens unmöglich mache. „Dieser Vorwurf muß an die gehen, die an der Kernenergie festhalten.“ Ein „gewisser Spielraum“ ergebe sich im übrigen daraus, daß die SPD bereit sei, über die Restlaufzeiten jedes einzelnen Akw weiter zu verhandeln.

Auch der Chef der nordrhein- westfälischen Staatskanzlei, Wolfgang Clement hält eine Fortführung der Gespräche für „außerordentlich lohnend“. Über eine neue Kernkraftwerks-Generation werde es aber „keine Verhandlungen mehr geben“. Das von ihm und Gerhard Schröder getragene Optionsangebot sei zwar „rational, aber nur schwer vermittelbar“ gewesen. „Dieser Weg“, so Clement, „ist nun nicht mehr begehbar.“ Für die Energiekonsens-Gespräche sei aber noch genug Stoff da. Eine „überragende Bedeutung“ spiele die Entsorgungsfrage und das Ende der Plutoniumwirtschaft, also der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente. Auch über die Restlaufzeiten der bestehenden Kraftwerke hält Clement eine Einigung für denkbar. „Schritt für Schritt, von Kernkraftwerk zu Kernkraftwerk“ müsse man dabei vorgehen, um die Kernenergie in „einem geordneten Prozeß“ auslaufen zu lassen.

Vertreter der Energiewirtschaft in den Konsensgesprächen teilten gestern der ÖTV-Vorsitzenden Monika Wulf-Matthies schriftlich mit, mit dem SPD-Präsidiumsbeschluß seien auch ihre bisherigen Zugeständnisse hinfällig. Die Energieversorger hatten unter anderem angeboten, auf die Konditionierungsanlage für radioaktive Abfälle in Gorleben zu verzichten.