Nicht zu glauben: Diebe lieben Trabis

■ Fallstricke der Kriminalstatistik am Beispiel Autodiebstahl / Versicherungsbetrug verfälscht Statistik / „Otto Normalkrimineller“ auf dem Vormarsch

Berlin (taz) – Das meistgestohlene Kraftfahrzeug in deutschen Landen ist keine Nobelkarosse aus Süddeutschland, obwohl diese im Nahen Osten oder Japan besonders satte Erlöse versprechen. Es ist auch nicht ein Allerweltsauto wie der Golf oder der Kadett, das auch im Ostblock unauffällig verscherbelt werden kann. Nein, es ist – relativ zu seiner Häufigkeit – ein Produkt des verblichenen „Kfz- Werks Sachsenring“: der Trabant. Von 1.000 Trabis wurden im Jahre 1992 immerhin rund elf als gestohlen gemeldet. Dieses erstaunliche Ergebnis findet sich in einer Untersuchung des HUK-Verbandes, dem alle deutschen Autoversicherungen angeschlossen sind.

Die StrategInnen des sogenannten „Organisierten Verbrechens“, dem gewöhnlich die stark ansteigende Zahl von Kfz-Diebstählen angelastet wird, scheinen DDR- NostalgikerInnen zu sein. Denn einen nennenswerten Markt für Trabis gibt es weder im Nahen noch im Fernen Osten. Die Insider von der „Zeitschrift für Versicherungswesen“ äußerten dagegen eine ganz andere Vermutung: „Wenn nur ein Prozent der Trabibesitzer auf den naheliegenden Gedanken kommt, das Auslaufmodell verschwinden zu lassen und der Versicherung als gestohlen zu melden, kommen wir schon auf jenen Spitzenwert an Beliebtheit in der Diebstahlsstatistik“, heißt es in der September- Ausgabe der Fachzeitschrift.

Etwa 40 Prozent der rund 130.000 Personenwagen, die 1992 in der Kriminalstatistik in der Rubrik „gestohlen“ auftauchten, waren tatsächlich das Objekt einer ganz anderen Form von Massenkriminalität: des Versicherungsbetrugs. Das jedenfalls schätzt das Bundeskriminalamt. Tendenz „weiter ansteigend“, heißt es in Wiesbaden. Glaubt man diesen sicher eher vorsichtigen Schätzungen, so hat das ständige Gerede von der „explosionsartig zunehmenden Kriminalität“ viele BürgerInnen offensichtlich stark inspiriert, so daß sie jetzt selbst am „großen Reibach“ teilhaben wollen.

Die Versicherungen haben inzwischen reagiert und ihre Geschäftsbedingungen geändert. Während bisher beim Diebstahl eines relativ neuen Wagens zwei Jahre lang der Neuwert ausbezahlt wurde, soll sich die Leistung der Versicherung künftig auf den deutlich niedrigeren Verkehrswert beschränken. Dies soll verhindern, daß ein „Otto Normalkrimineller“ kurz vor Ablauf der Zweijahresfrist seinen Wagen in den See fährt, das Auto dann als gestohlen meldet und sich schließlich auf Kosten der Versicherung als Ersatz für das bereits etwas angestaubte Fahrzeug ein fabrikneues Modell zulegen kann.

Attraktiver wird dadurch ein anderer Weg, unerlaubt die Assekuranzen zu schröpfen. Hier läßt die TäterIn das als gestohlen gemeldete Auto nicht einfach verschwinden, sondern kassiert noch ein Zubrot zur Versicherungssumme, indem sie den Wagen vorher an die Unterwelt verkauft. Teilweise bringt dabei die EigentümerIn das Fahrzeug selbst ins Ausland, vornehmlich Polen, und sucht sich dort eine KäuferIn mit entsprechenden Verbindungen. Nach Informationen des BKA bahnen die Verschieberbanden inzwischen häufiger auch selbst die Kontakte an. Sie melden sich auf Inserate von Leuten, die eigentlich ganz legal ihren Pkw verkaufen wollten, und bieten einen für beide Seiten günstigen „Deal“ zu Lasten der Versicherung an.

Wie groß die Zahl der solcherart ins „Organisierte Verbrechen“ verstrickten biederen BundesbürgerInnen ist, wird beim BKA noch nicht statistisch erfaßt. Die CDU jedenfalls wird bei ihrer „Offensive gegen die Massenkriminalität“ ihre eigene Wählerschaft nicht nur als Opfer ansprechen dürfen... Christian

Rath