Der verlorene Sohn kehrte heim

FC Augsburg – Bayer Leverkusen 3:4 n. E. / Beinahe hätte der Tabellenvierte der Bayernliga den Profis a g'scheite Watschen verpaßt  ■ Aus Augsburg Markus Götting

Er war ausgezogen, um balltretend den Globus zu erkunden und sackte dabei einige Milliönchen ein. Nun trieb das DFB-Pokallos Schusters Bernd wieder zurück in die Heimat – glücklich war er darüber nicht. Aus Ausburg, wo der Mensch für Bodenständigkeit bekannt ist, war er im Streit geschieden, weil seine Mutter Frau Gabi nicht akzeptieren wollte, der Vater a wen'g tief ins Glaserl schaute und überhaupt ein Klima der Mißgunst herrschte.

Mutter Gisela hatte sich dereinst in der Yellowpress mit einer Kerze, die sie nach ländlich-katholischem Brauch ins Fenster stellte, ablichten lassen, in der Hoffnung, der verlorene Sohn möge zurückkehren.

Au contraire: „Berndi“, wie sie ihn in der Schule nannten, knallte ihnen gar in Spanien die Tür vor der Nase zu. Dennoch trottete Gisela Schuster bei der Ankunft des Filius zum Augsburger Flughäfchen – die Rendite der Kerzen-Investition einzufordern. Es menschelte ergreifend, als sich Mutter und Sohn umarmten, doch eine gewisse Distanz war unverkennbar. Er habe keine großen Beziehungen mehr zu Augsburg, ließ er die Pressevertreter bei der Ankunft wissen. Und fügte nach dem Spiel hinzu: „Es war sehr kurz, das ist ganz gut so, ich bin froh, wenn wir wieder zu Hause sind.“ Ein undankbarer Gast, der „Berndi“, der der gottesfürchtigen Mami damit auch gleich die Hoffnung auf ein gemeinsames Weihnachtsfest zerstörte.

Da geschah es ihm nur recht, daß er unter dem Pfeifkonzert und anschließenden „Yahoo“ der lediglich 15.000 Zuschauer beim Elfmeterschießen einen selbigen vergeigte.

Gleichermaßen aber beinhaltet es schon eine gewisse Ironie, daß ausgerechnet der einzige Amateur auf Seiten der Leverkusener den Augsburger Zwergenaufstand im Achtelfinale des DFB-Pokals beendete: Ralf Becker, der seine Freizeit vornehmlich mit Billardspielen verbringt, übernahm die Verantwortung, als die etablierten Kollegen vornehm kniffen und versagten. Martin Kree und Bernd Schuster fanden in Augsburgs Torhüter Jürgen Oberdorf ihren Meister, und so mußte der sudden- death entscheiden.

Ulf Kirsten lehnte dankend ab, und Dragoslav Stepanović deutete, den 23. Zigarillo anzündend, auf den 22jährigen. Der traf. Christian Radelmaier traf nicht. Aus war's.

Der Leverkusener Fußball- Lehrer hatte auch gleich den wahrhaftigen Helden des Tages – so etwas gibt's also immer noch – ausgemacht und umarmte Rüdiger Vollborn für dessen treue Dienste zwischen den Pfosten. „Das Elfmeterschießen war das einzige, wo wir heute besser waren“, gestand Stepanović, der sichtlich erleichtert über das Mit-blauem-Auge-Weiterkommen war. Der Heros namens Schuster zog sich zunächst zurück: „Ich muß erst einmal in die Kabine, das alles verarbeiten“, dann gab auch er zu, daß der FCA eigentlich den Sieg verdient gehabt hätte: „Das ist eben Pokal.“ Die Hobbykicker drehten unterdessen eine Ehrenrunde, wenngleich mit Tränen in den Augen, und bedankten sich für die Ovationen.

Die jedoch hatten sie redlich verdient. 120 Minuten lang boten sie ein großartiges Spiel, drohten, dem Titelverteidiger die Prämien zu vermasseln. Thomas Hanke (15./83.), Andreas Dörr (68.), Thomas König (92.), Christian Radlmaier (94. und 112.) und Frank Becker (109.) hatten Chancen ohne Ende.

„Das ist ein Wahnsinn, die Jungs verdienen soviel wie der Schuster im Monat vertelefoniert“, schüttelte FCA-Präsident Peter Bircks ungläubig den Kopf. So einen Typen wie den Kalle Riedle, der auch einst in der Fuggerstadt die Fußballstiefel schnürte, hätten sie gebraucht, dann wäre womöglich das entscheidende Tor schon während des Spiels gefallen.