Tote kann man instrumentalisieren

■ betr.: „Dienst am Frieden?“ von Michael Sontheimer und „Ein glaubenloser Jude“ von Henryk M. Broder, taz vom 16.10.93

„Heute wissen wir, daß es die neue Linke war, die den Antisemitismus wieder salonfähig gemacht hat, und nicht die alte Rechte, die ihre Lufthoheit über deutschen Stammtischen verteidigt“ (H. M. Broder)

„Es ist sogar aus gutem Grund ein seltenes Ereignis, dem Bundeskanzler zuzustimmen, wenn der den für Arndt tödlichen Einsatz als ,Dienst am Frieden‘ charakterisiert hat“ (M. Sontheimer).

Ich danke Ihnen, Herr Broder, für die Vermittlung von Gemeinplätzen und versichere, daß ich durchaus in der Lage bin, trotz deutscher Gründlichkeit und linker Gesinnung Fassbinders „Müll“ und anderen Müll zu trennen und in die richtige Tonne einzuordnen.

Müllvermeidung, Herr Sontheimer, ist immer besser als Recycling – Ihr Kommentar war vermeidbar. Nicht der Einsatz der Bundeswehrsoldaten ist zu kritisieren. Zu kritisieren ist die nachhaltige Feigheit der Regierung vor dem Parlament. Zu kritisieren ist die Adaption von billigster Rechtfertigungsideologie in vorgeblich kritischen Kommentaren und das Nachbeten von „Das Opfer war nicht umsonst“-Mystik. Der Tod des Sanitäters wird instrumentalisiert. Der fragwürdige Einsatz der Bundeswehr wird, nur weil außerhalb des UN-Auftrages auch Zivilisten versorgt werden, zum humanitären Einsatz stilisiert. Der zufällige und tragische Tod bei einem Privatausflug wird zum Tod eines, dessen Einsatz als Dienst für den Frieden stilisiert wird.

Tote haben einen Vorteil: Man kann sie beliebig für die eigenen Zwecke und eigenen Kommentare einspannen, dabei ist es egal, ob sie Améry oder Arndt hießen. Andreas Koegler, Lorsch