Betr.: "Kino in Schwarzafrika"

Der schwarzafrikanische Film ist zuallererst eine mise en place von Dialogen nach dem Muster einer in Afrika hochgeschätzten „Theatertradition“: im Kreis sitzende Figuren, die über ein Problem diskutieren. Meist jedoch hat man den Eindruck, als sei dies die Illustration einer Handlungs- und Dialogabfolge – er verläßt den Raum, dann geht er auf die Straße, dann trifft er seinen Neffen, dann diskutieren sie, danach geht jeder seiner Wege, dann geht er nach Hause, dann ißt er, dann klopft der Schwiegervater an die Tür... – und weniger die Suche nach Bildern.

Filme, die auf verfeinerten visuellen Systemen beruhen, entstehen zumeist in Kulturen, in denen das Visuelle von jeher privilegiert ist. Das läßt sich gleichermaßen im italienischen, deutschen, französischen, indischen, japanischen, chinesischen oder auch ägyptischen Kino feststellen. Die schwarze Kultur hingegen bezieht den ganzen Körper mit ein, ohne die Objektivierung durch den Blick zu privilegieren, so, als würde der Raum selbst eins mit den Bewegungen des Körpers: Die Maske ist in erster Linie eine „Verlängerung“ des Gesichts oder des Kopfes – es gibt viele Fälle, wo man sie nicht anschauen darf –, weniger ein plastisches Objekt, das sich unserem Blick darbietet; der Tanz strukturiert den Raum, aber nur solange getanzt wird. Der physische Raum ist in der Kultur Afrikas keine Grundlage, worauf man auf spektakuläre Weise ein visuelles System errichten könnte. Daher rührt die Dialoglastigkeit der Filme, die es zudem ermöglicht, ein bestimmtes Wissen kundzutun, als dessen Mittler sich der Filmemacher versteht, sogar kritische und bisweilen revolutionäre Worte.

Aus: „Kino in Schwarzafrika“ von

Pierre Haffner, Institut Francais

de Munich, 1989. Abb. „Filmwelt Afrika“, 1993