Dioxin ums Karpfenmaul

General Atomic will im sächsischen Königswartha Munition und Müll verbrennen / Minister drängt widerspenstige Gemeinde zum Jawort  ■ Von Detlef Krell

Königswartha, ein Städtchen mit 4.500 Einwohnern, liegt in der zweisprachigen Lausitz und heißt auf sorbisch „Rakecy“. Das wiederum kommt von „Krebs“. Seit dem Mittelalter leben dort viele Leute von der Teichwirtschaft. Bürgermeister Georg Paschke erhielt neulich Post aus Dresden, vom Wirtschaftsminister. Darin drückte Kajo Schommer (CDU) seine Verwunderung über die ablehnende Haltung seines Parteifreundes aus. Die US-Firma General Atomic als Eigentümerin der Mechanischen Werkstätten Königswartha wolle eine „moderne Munitionsverbrennungsanlage erstellen“, die obendrein noch 400 Arbeitsplätze schaffe. Und der Dank? Eine „Verweigerung“ des Bürgermeisters!

„Eindringlich“ sah sich dieser gemahnt, seiner „Mitverantwortung nachzukommen und dem Investitionsvorhaben zuzustimmen“. Und wehe, wenn nicht! „Eine Gemeinde, die durch eigenes Verschulden einen Investor verprellt“, so belehrte der Wirtschaftsminister den Ortsvorsteher, könne „nicht damit rechnen“, weiter Hilfe vom Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit zu erhalten.

Georg Paschke war verwundert. Er gab den Brief an seinen Gemeindevertretungsvorsteher weiter. Der ist ja eigentlich dafür zuständig, hatten doch die Gemeinderäte einstimmig gegen den Munitionsofen votiert. Seitdem überlegt sich Conrad Anders, auch ein CDU-Mitglied, ob man gegen den Minister eine Strafanzeige wegen Nötigung erstatten sollte.

Die Mechanischen Werkstätten Königswartha waren Betriebsteil des Rüstungskombinates Spezialtechnik Dresden. Die Munitionsfabrik lebt heute von der Verbrennung ihrer Bestände. Das geschieht unter freiem Himmel, mit Ausnahmegenehmigung. Die Gemeinde hatte sich bereit erklärt, den offenen Abbrand trotz der entstehenden gelben Wolken bis 1994 zu dulden, wenn es sein muß, auch bis 1995. So lange sollen die Patronengurte der Firma reichen.

Im Juni vorigen Jahres beantragte General Atomics jedoch den Bau eines Wirbelschichtreaktors, angeblich zur geschlossenen Verbrennung der Munition. Das klang sehr ökologisch, doch auf die Frage der Gemeinde, ob mit der Anlage, wenn die letzte Patrone verheizt ist, auch Sondermüll verbrannt werden könne, kam ein klares Jein: technisch möglich, aber nicht vorgesehen.

Die Gemeinde recherchierte; die Naturparkverwaltung Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft, der BUND und der Landesfischereiverband, auch die Wasserwirtschaft waren gegen die Anlage und mit ihnen 2.959 BürgerInnen aus der Stadt und Umgebung. Das Öko-Institut Darmstadt erklärte in einem Gutachten, daß der Ofen nicht genehmigungsfähig sei. Die Rauchgasreinigung sei nur auf konventionelle Schadstoffe ausgerichtet, sie besitze keine Einrichtungen zur Reduktion von organischen Schadstoffen wie Dioxin und Quecksilber. Daraufhin verweigerte die Gemeinde „aus baurechtlicher Sicht“ ihr Jawort.

Eigentlich hätte das Genehmigungsverfahren nun eingestellt werden müssen. Inzwischen liegen aber schon die kompletten Bauteile auf dem Hof der Werkstätten, und die Unternehmensleitung macht mit Flugblättern gegen die Gemeinde mobil. Sie wuchert mit ihrem Pfund von 400 Arbeitsplätzen, obwohl, wie Conrad Anders selbst gelesen hat, für die Verbrennungsanlage nur 35 Arbeitskräfte gebraucht werden. Mehr als 200 Kündigungen wurden bereits ausgesprochen. Schlecht ist die Auftragslage, die verbleibenden 261 Beschäftigten werden die Restmunition bald verschossen haben. Was also soll, fragen die BürgerInnen besorgt, eine neue Anlage, die so neu gar nicht ist, sondern in den USA längst Schrottwert hat?

Aus der Chefetage in Dresden werden sie es nicht erfahren. Dort sitzt der frühere Spezialtechnik- Generaldirektor Siegfried Eschke. Als ehemaliger Generalmajor des Ministeriums für Staatssicherheit ist er das Schweigen ja gewohnt. An den Privatisierungsverhandlungen mit den Amerikanern war er maßgeblich beteiligt. Im Handelsregister steht jedoch seit Juli 1993 als Gegenstand der Mechanischen Werkstätten auch: „Entsorgung von umweltbelastenden, insbesondere kontaminierten und radioaktiv verseuchten Kraftwerken, Grundstücken und Anlagen.“

Eines weiß der Bürgermeister genau: Wenn andere Firmen hören, was in dem Ort geplant ist, machen sie auf dem Absatz kehrt. Und es standen genug auf der Matte, um alle Ex-Rüstungsarbeiter in Lohn und Brot zu nehmen.