Wer hat Hans H. ermordet?

■ Geistig Behinderter von Unbekannten zu Tode getrampelt

Berlin (taz) – Den größten Spaß im Leben hatte Hans H., wenn er mit der Berliner S-Bahn durch den Ostteil der Stadt fuhr. Von Johannisthal, wo er zusammen mit seiner Mutter in einer engen Wohnung lebte, nach Schöneweide. Auf dem S-Bahnsteig Schöneweide besuchte Hans H. seine Schwester. Die sagt dort an- und einfahrende Züge an, warnt Passagiere vorm Türenschließen. Mancher U-Bahnfahrer ließ Hans H. vorne bei sich mitfahren. Die B.Z. taufte Hans H. „Engel vom S-Bahnhof“. Seinen Freunden von der Reichsbahn war er ein sehr guter Freund. Nicht mehr und nicht weniger.

Hans H. wurde nur 28 Jahre alt. Seit Sonntag früh ist er tot.

An diesem Tag rief um 6 Uhr 30 ein Mann bei der Feuerwehr an, nannte seinen Namen nicht, sagte, es liege jemand leblos im Gebüsch, etwa 30 Meter vom S-Bahnhof Schöneweide entfernt. Es war Hans H. Wie die Obduktion seiner Leiche ergab, waren H.s Nasenbein und sein Kiefer gebrochen; auch seine Stirn war verletzt. Mit einem stumpfen Gegenstand soll er „bearbeitet“ worden sein, läßt die Treptower Kriminalpolizei verlauten. Als Hans H. auf dem Boden lag, traten die Unbekannten oder der Unbekannte auf seinem Schädel rum. Wahrscheinlich hat die Summe dieser Verletzungen Hans H. den Tod gebracht; so genau wissen das die Obduktionsmediziner seltsamerweise nicht.

Die Rekonstruktion von H.s letzten Stunden ist nicht schwierig, nur über seine allerletzten Minuten ist gar nichts bekannt. H. war an diesem Sonntag bis 2 Uhr morgens S-Bahn gefahren. Hatte ratlosen Mitfahrern den Weg erklärt, hatte mit den Männern und Frauen, die in Schöneweide Dienst taten, geschwatzt wie so oft. Um 2 Uhr 30 will ihn ein Bediensteter noch auf dem Bahnsteig gesehen haben. Drei Stunden später klingelte es bei der Feuerwehr.

Vielleicht wurde Hans H. von Jugendlichen ermordet. Vielleicht. Hans H. war geistig leicht behindert. Sonntag früh um 1 Uhr pöbelten drei circa 18jährige Jugendliche einen Fahrgast an und schlugen ihn zusammen. Eine halbe Stunde später wurde ein anderer Fahrgast von anderen – älteren – Jugendlichen zusammengeschlagen. Die waren angetrunken und hatten zuvor randaliert. Beides passierte auf dem S-Bahnhof Schöneweide. Thorsten Schmitz