Blick auf die „Evergreen“ für 10 Mark

■ Altenheim Augustinum bietet Restaurant und Kulturprogramm   Von Kaija Kutter

Muß man denn immer nörgeln? An den Preisen zum Beispiel, die das neugebaute Wohnstift Augustinum am Elbufer für seine Apartments nimmt. „Sie müssen bedenken, da ist Mittagessen, hauswirtschaftliche Pflege, alles mit inbegriffen“, sagte Stiftsleiter Hans-Dietrich Schultz gestern vor Journalisten. Es stimme, die Preise für eines der 145 Apartments lägen zwischen 3100 und 7400 Mark, aber letzteres sei dann auch die Miete für ein Doppelapartment für zwei Personen.

Die Leitung des Edel-Altenheims hatte gestern die Hamburger Journaille zu Scampi und Lachshäppchen eingeladen, um 14 Tage nach Eröffnung einen Blick ins Innere des roten Kolosses zu gewähren. Aus „Liebe zu Hamburg“, so Schultz, habe man die Grundform des alten Union-Kühlhauses beibehalten. Allerdings war der ursprüngliche Plan, den Neubau auf die 7000 Pfähle des alten Backsteinbaus zu setzen, fehlgeschlagen. Bei Probebelastungen waren diese im Elbgrund versackt.

So wurde für satte 60 Millionen Mark alles neu gebaut, einschließlich Betonwanne im Elbgrund mit integriertem Tunnel, durch den die Bewohner bei Hochwasser unter der Erde hinter den schützenden Deich gelangen. Den architektonischen Höhepunkt bildet ohne Frage die Glaskuppel auf dem Dach, die über einen ebenfalls gläsernen Fahrstuhl auch fürs gemeine Publikum erreichbar ist.

Täglich von 15 bis 18 Uhr können Elbspaziergänger hier bei Kaffee und Kuchen den Panoramablick über den Hafen genießen. Das Kännchen Tee, Kaffee oder Kakao kostet sechs Mark, das Stück Walnußtorte vier, die für Diabetiker geeigneten Müslitörtchen 4,50 Mark , Salatvariationen acht Mark. „Mit zehn Mark sind Sie dabei“, sagt Restaurant-Wirtin Franca Vazzaz, die den futuristisch anmutenden Kuppelsaal vom Augustinum gepachtet hat – zusammen mit Gourmet-Koch Gebhard Goedl, der Gäste in den Abendstunden mit Edel-Food verwöhnt (Schollenfilet mit Krabben 26 Mark).

Der Blick auf Himmel und Hafen hat an diesem trüben Vormittag etwas leicht Depressives. Abends ist die Sicht auf Sterne und Lichter-Skyline phantastisch, schwärmt der Pressesprecher des Augustinums. Morgens und mittags speisen hier die Bewohner, von denen bis gestern erst 44 eingezogen sind. Bis zur großen Eröffnungsparty im Mai '94 sollen es 180 sein.

Ob sie sich hier wohlfühlen werden, die alten Leutchen? Vis-à-vis der Blick auf den Container-Kai, an dem meist Schiffe mit der vielsagenden Aufschrift „Evergreen“ vor Anker liegen. Die Apartments, auch die größeren, sind eng geschnitten; um das strenge Quadrat des alten Kühlturms auszufüllen, wird jeder Winkel genutzt. Wohltuende Platzverschwendung nur in den Fluren. Um das Enge-Gefühl zu beseitigen, wurde die Decke zwischen je zwei Etagen herausgenommen. Der Teppich ist dunkelrosé, die Wände sind in warmem Buchenholzbeige gehalten. Doch sonst ist die Inneneinrichtung sehr kühl, der Anblick der vier monströsen, grau gestrichenen Abluftrohre, die das Zentrum des Speisesaals bilden, erinnern an Raumschiff Enterprise oder eine Fabrik.

Fast möchte man sich sorgen um die älteren Herrschaften, ob sie diese an die umliegende Hafenindustrie angelehnte Ästhetik auch goutieren. Doch der unerlaubte Blick in ein eingerichtetes Apartment läßt die Zweifel schwinden. Die Bewohner dürfen die Zimmer einrichten, wie sie wollen. Mit Pomp und Plüsch und Gartenzwerg setzen sie sich über die Vorgaben der Innenarchitekten hinweg.