: Das Mysterium der Stange
■ Der öffentliche Raum wird immer größer: Kunst für die Weiten der Weltmeere
hierhin bitte
das Foto von der
freistehenden
Stange
(bitte unten
abschneiden!)
Das bremische Referat für „Kunst im öffentlichen Raum“ in seiner Unermeßlichkeit hat jetzt vollends auf die Ozeane übergegriffen. Hierzulande ist nur eine neue gelbe Stange zu sehen, welche am rechten Weserufer in der Nähe der Teerhofbrücke ihren Frieden gefunden hat; das Geheimnis der gelben Stange aber ist es, daß eine andere gelbe Stange durch die Weltmeere schaukelt, aufgepflanzt auf dem Bug des Forschungsschiffes „Polarstern“.
Das war der Kölner Bildhauer Lutz Fritsch, der sich seit Jahren der Idee der Stangen geweiht hat und ohne Umschweife überall eine hinschraubt, wo man ihm Geld dafür gibt. Sein neues Werk soll nun auftragsgemäß die Tatsache feiern, daß es seit 125 Jahren eine deutsche Polarforschung gibt; zu den Hintermännern des Stangenprojekts gehört denn auch das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut, in dessen Auftrag die „FS Polarstern“ zwischen Nordpol und Südpol herumforscht.
Auf dem Schiff allerdings ist der künstlerische Zwilling bisher nicht weiter auffällig geworden: Die Telefonverbindung, die man gestern während der Eröffnung der daheimgebliebenen Stange unter vielem Knacken und Rauschen zur „FS Polarstern“ herstellte, litt ein wenig unter der dortigen Kunstferne: Dem Diensthabenden war das Werk noch gar nicht aufgefallen, der alarmierte Kollege wußte noch weniger Rat, und der Kapitän war in der Eile nicht aufzufinden, so daß bald die Verwirrung ins Unermeßliche wuchs, was die Seeleute nun hoffentlich zum Nachdenken anregen wird.
Wirklich schön wäre es, wenn man von der Stange aus jederzeit Verbindung zu ihnen halten könnte oder wenn uns wenigstens die Geräusche aus der Kombüse Tag und Nacht übertragen würden. Oder irgendwas. Irgendwas Nettes möchte sein. Irgendein Beweis, daß die Belange der Kunst, ja der Humanität nicht verstummen müssen vor der Stangenhaftigkeit des Stumpfsinns. Manfred Dworschak
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen